Essen. Die Polizei ist in Essen erneut zu einer Razzia ausgerückt, um gegen kriminelle Machenschaften in Clans vorzugehen. Eine Politik der Nadelstiche.
Essen, Freitagnachmittag: zahlreiche Polizisten – daunter auch Kräfte der Einsatzhundertschaft – rücken zusammen mit Angestellten des Zolls, der Stadt Essen und des Finanzamtes aus. Ihr Ziel ist diesmal Altendorf, wo sich seit Jahren Clans breitgemacht haben, die in organisierte Kriminalität verstrickt sind. Geschäfte werden durchsucht, Personen und Autos kontrolliert, häufig illegale Waren, Waffen oder Geld sichfergestellt.
Laut Polizeisprecher Ulrich Faßbender war der Fokus der Razzia am Freitag auf Altendorf gerichtet. "Wir tun alles, um keine Parallelgesellschaften aufkommen zu lassen und die Gesetze des deutschen Staates mit allen erlaubten Mitteln durchzusetzen", so Faßbender. Die Kontrollen dauerten rund sieben Stunden. Um 17 Uhr schlugen die Beamten zu, erst gegen Mitternacht rückte die Allianz aus Polizei, Stadt, Zoll und Finanzamt wieder ab.
Bilanz der Razzia in Essen
Durchleuchtet wurden vor allem Shisha-Bars und Internet-Cafes an der Kastanienallee, der Turmstraße und der Ehrenzeller Straße, darunter auch wieder die Shisha-Bar „Chocolate“, aber auch andere Geschäfte weckten das Interesse der Behörden. "Das Finanzamt zum Beispiel interessiert sich sehr dafür, wie in einer Friseur-Stube am Abend mehrere tausend Euro in der Kasse liegen können", so Faßbender. Denn weder die Zahl der Kunden noch die der Angestellten lasse auf ein so florierendes Geschäft schließen.
Insgesamt wurden 140 Personen, zahlreiche Fahrzeuge und 20 Objekte kontrolliert. Die Polizei vollstreckte drei Haftbefehle. 508 Verwarngelder wurden erhoben, 37 Ordnungswidrigkeiten und zehn Strafanzeigen wurden gefertigt und rund 42 Kilogramm unversteuerter Wasserpfeifentabak wurde sichergestellt.. Diese Maßnahmen wurden durch Geschwindigkeitsmessungen begleitet. Dabei fielen zwei junge Leute (18, 20 Jahre) auf dem Berthold-Beitz-Boulevard auf. Bei einer erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h wurden beide mit 126 km/h gemessen. Die Führerscheine der Raser wurden sichergestellt, die Autos am Straßenrand abgestellt.
"Null Toleranz" - die Politik der Nadelstiche im Kampf gegen kriminelle Clans
Mit der Razzia am Freitag setzt die Polizei ihre Politik der Nadelstiche fort. "Null Toleranz zeigen", heißt es auf Nachfrage im Präsidium und dem Innenministerium unisono. Das Problem mit den häufig aus dem Libanon stammenden Großfamilien, die mitunter mehrere hundert Mitglieder haben, hat die Stadt Essen aber bei weitem nicht exklusiv. In vielen Ruhrgebietsstädten und deutschen Metropolen sind die Clans aktiv. Eine Handvoll Familiennamen – die größten und mächtigsten Clans – kennt wohl jeder Polizist und Richter in NRW, Berlin oder Hamburg. Ihre Angehörigen sind häufig verstrickt in blutige Fehden, Drogen- und Waffengeschäfte, bewaffnete Raubüberfälle uvm..
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Ein effektives Mittel gegen die Clans haben die Ermittlungsbehörden bisher nicht gefunden, weshalb sie im Ruhrgebiet seit geraumer Zeit wiederholt auf Razzien setzen. Man will den Clans immer wieder auf die Füße steigen. So lange, bis sie die Stadt vielleicht freiwillig verlassen, weil sie hier keine Ruhe haben. Keine Toleranz walten lassen und ständige Präsenz zeigen "in diesen Brennpunkten und Angsträumen“, so formulierte es Arnold Plickert, bis April 2018 Landeschef der Gewerkschaft der Polizei einst.
Um dieser Taktik gewissermaßen auch politisch zu unterstreichen, wurde die Polizei bei einer Razzia Mitte April gar vom NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) höchstpersönlich, dem Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), dem Polizeipräsidenten Frank Richter und Armin Rolfink, Direktionspräsident der Generalzolldirektion in Bonn, begleitet.
Ergebnis der Großrazzia im Essener Norden im April
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Mehr als 300 Polizisten, 70 städtische Kräfte sowie 21 Zollfahnder waren damals im Einsatz.. 600 Personen wurden kontrolliert, 100 Geschäfte durchsucht und etwa 60 Fahrzeuge überprüft – das Ergebnis: Acht Männer konnten festgenommen werden, zum Teil lagen Haftbefehle gegen sie vor. Fahnder stellten 300 Kilogramm unversteuerten Tabak und „viele kleinere Mengen Drogen" sicher. 20 Anzeigen wurden geschrieben, unter anderem nach Widerstandshandlungen und wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittel- und Asylgesetz. Dazu kamen rund 60 festgestellte Ordnungswidrigkeiten, weil Tabak in Shisha-Bars geraucht, Geschwindigkeitsverstöße an Messstellen festgestellt und Mindestlöhne in Lokalen nicht gezahlt wurden.
Ob diese Razzien die Clans nachhaltig beeindrucken werden, bleibt abzuwarten. Die Essener Polizei jedenfalls, wird bis zur ihren nächsten Groß-Aktion sicher nicht viel Zeit ins Land gehen lassen. Sie wird weiter machen mit der Politik der Nadelstiche, der "Null-Toleranz-Strategie", wie es dann immer heißt, und dem "auf-die-Füße-steigen", wie es Polizeisprecher Urlich Faßbender formuliert.