Essen-Rüttenscheid. . Hans-Jürgen Best hält die Sorgen über das Einwohnerwachstum in Rüttenscheid für übertrieben. Man arbeite nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit.
Planungsdezernent Hans-Jürgen Best ist bekannt dafür, dass er klare Worte findet, wenn ihm was nicht passt. Und für einen streitbaren Geist wie ihn gab es da schon immer reichlich Gelegenheit in einer Stadt, in der das Bauen weit eher als Problem denn als Chance gilt. Als Best vor einigen Tagen beim Richtfest für die „Belle-Rü“-Häuser an der Veronikastraße auf das Unbehagen über das Wohnungsbauwachstum im Stadtteil angesprochen wurde, gab er seiner Spottlust die Sporen: „Die Quakstimmen werden schon sehen, wie klasse es hier hinterher ist.“ Das hatte mal wieder gesessen. Ein Gespräch über das Bauen in Rüttenscheid.
Herr Best, wen haben Sie denn gemeint mit Ihrer Breitseite gegen die „Quakstimmen“? Etwa die SPD-geführte Bezirksvertretung in Rüttenscheid, die sich Sorgen macht?
Ach, ich habe keinen bestimmten gemeint. Es dürfen sich alle angesprochen fühlen, die mit wenig Sachkenntnis, aber viel Bauchgefühl über dieses Thema reden.
Aber stimmt denn nicht, dass Rüttenscheid so langsam aus allen Nähten platzt und die Beliebtheit des Stadtteils zum Problem wird?
Quatsch. Rüttenscheid hat derzeit rund 28 800 Einwohner, aber in den 1990er Jahren waren es mal weit über 30 000. Man könnte also mit genau der selben Berechtigung sagen: In Rüttenscheid ist die Einwohnerzahl gesunken. Ab dem Jahr 2006 kehrte sich der Trend langsam um, aber wir werden wahrscheinlich nie mehr die Einwohnerzahl erreichen, die es mal gab.
Mag sein, dass die Einwohnerzahl nicht besonders stark steigt – dennoch entstehen derzeit unzweifelhaft immer mehr Wohnungen.
Weil jeder Einzelne, der es sich leisten kann, immer mehr Wohnraum konsumiert. Und von denen gibt es in Rüttenscheid einige. Was wollen Sie dagegen machen? Wohnraum bewirtschaften wie nach dem Zweiten Weltkrieg? Es gibt in Rüttenscheid Menschen, die zu zweit auf drei Etagen und 400 Quadratmetern leben – in solchen Häusern haben früher mehrere Familien gewohnt. Das sind aber Entscheidungen, die private Eigentümer und Nutzer treffen, nicht die Politik oder die Stadtverwaltung. Was mir wichtig ist: In der Tendenz haben fast alle mehr Wohnraum als früher zur Verfügung, nicht nur Wohlhabende.
„Neue Häuser sind städtebaulich ein Fortschritt“
Kann es denn richtig sein, dann noch immer mehr Wohnungen zu bauen?
Warum sollen wir es als Stadt verhindern, wenn es die Menschen nun einmal nach Rüttenscheid zieht? Ich möchte darauf hinweisen, dass wir auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit alles richtig machen. Wir planieren ja weder Parks noch Wälder. Neue Häuser entstehen in Rüttenscheid da, wo auch bisher schon etwas stand...
...naja, auf den Grundstücken eingeschossiger Gewerbebetriebe oder Bungalows oder auf ebenerdigen Messe-Parkplätzen entstehen dann viergeschossige Häuser.
Entscheidend ist: Die Versiegelung des Bodens war doch vorher in der Regel gründlicher als nach der Fertigstellung der Neubauten. Abgesehen davon, sind die neuen Häuser auch städtebaulich ein Fortschritt. Sie sehen entschieden besser aus als das, was dort vorher stand.
“Früher war auch viel Autoverkehr“
Neue Bürger bringen neue Verkehrsströme, vorwiegend durch private Autos. Auch das stört viele Altbewohner. Zu Recht?
Wissen Sie, am Autohaus an der Veronikastraße war früher auch viel Autoverkehr. Ebenso bei Holz Conrad, bei der Umzugsfirma Paas an der Manfredstraße, an der alten PH an der Henri-Dunant-Straße mit ihren einst 1200 Studenten und dem Lehrpersonal. Auch auf dem Güterbahnhof-Gelände war viel Verkehr, und wenn an der Fabbrica Italiana an der Müller-Breslau-Straße der Bär steppte, dann war da auch viel Verkehr. Aber das wird gerne und schnell vergessen, weil es nach dem Ende der früheren Nutzungen zunächst schön ruhig war.
Also alles in Ordnung mit dem Bauen in Rüttenscheid?
Im Wesentlichen ja. Wir könnten uns einfach freuen, dass unsere Stadt so beliebt ist, Investoren und Neubürger anzieht. Das gilt übrigens nicht nur für Rüttenscheid, auch in anderen dichtbesiedelten Stadtteilen wie Holsterhausen und Frohnhausen passiert viel.
Aber irgendwann sind alle Baulücken bebaut. Und dann?
Dann geht eben wahrscheinlich nichts mehr. Aber so weit sind wir noch lange nicht.