Essen-Rüttenscheid. 66 der 70 Wohnungen sind bereits verkauft. Die Stadt Essen schwärmt, die Politik übt aber auch Kritik an der Infrastruktur des Umfeldes.

Kirschbäume sollen dort einmal blühen, die Planer träumen von „besonderen Lebenswelten“ und wollen mit dem Namen „Belle Rü“ wohl etwas vom Glanz der nahegelegenen Rüttenscheider Flaniermeile an die Ve­ronikastraße holen. Aktuell präsentiert sich das Bauvorhaben am Rande des Mädchenviertels zwar noch als graue Betonwüste, damit ist Projektleiter Michael Hannen aber äußerst zufrieden. „Wir liegen absolut im Zeitplan.“ Ende des Jahres sollen die 70 Wohnungen fertig sein. 66 davon sind bereits verkauft – bei Quadratmeterpreisen zwischen 3500 und 4200 Euro und im Penthouse bei rund 5000 Euro.

Smartphone-App und Paketstation im Hof

Dafür sollen die Käufer allerlei Komfort in der Wohnung und drum herum erhalten. Sämtliche Lampen und Heizungen sollen etwa per Smartphone-App gesteuert werden können, und an der Paketstation im Hof wird man nicht nur Postsendungen abholen oder aufgeben können, sondern auch schmutzige Wäsche, die gewaschen dann wieder im Fach landet.

Guter Dinge: Robert Bambach (l.) und Michael Hannen (r.) von der ausführenden Interboden-Gruppe mit dem Essener Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best.
Guter Dinge: Robert Bambach (l.) und Michael Hannen (r.) von der ausführenden Interboden-Gruppe mit dem Essener Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best. © Kerstin Kokoska

Beim Richtfest geriet Planungsdezernent Hans-Jürgen Best dieser Tage regelrecht ins Schwärmen. „Die Quakstimmen, die die dichte Bebauung im Stadtteil bemängeln, werden schon sehen, wie klasse es hier hinterher ist.“ Wenn man aus Naturschutzgründen nicht mehr oder kaum noch auf der grünen Wiese bauen könne, müsse man in einer wachsenden Stadt eben Lücken schließen. Rund 1000 neue Wohnungen würden gerade in Rüttenscheid entstehen, in anderen Städten seien es deutlich mehr.

Sozial geförderter Wohnungsbau

„Rund 1000 Wohnungen“, sagt auch Bezirksbürgermeister Gerhard Barnscheidt. „So viele neue Bauten in Rüttenscheid, aber die Infrastruktur wird nicht angepasst.“ Schon jetzt gebe es Probleme mit Schulen und Kindergärten, die aus allen Nähten platzen. Auch an die Nahversorgung werde nicht gedacht. „Aber das ist nicht Sache der Bauträger, sondern der Verwaltung.“ Mit Blick auf mögliche Projekte in der Zukunft werde es sicher nicht besser. Ob es nun Pläne für das Areal an der Rüttenscheider Brücke seien oder für die Platzanlage der Sportfreunde 07, „die ebenfalls Begehrlichkeiten weckt“. Die Bezirksvertretung habe die Stadtverwaltung schon vor über einem Jahr aufgefordert, „darüber nachzudenken, wie man andere Dinge hier hineinbekommt“. Ohne Reaktion. „Das gibt einen Kollaps.“

Wenn schon mehr Wohnungen in Rüttenscheid, dann doch auch mit einem Anteil von sozial gefördertem Wohnungsbau, meint Barnscheidt. Dass der in einem hochpreisigen Projekt wie „Belle Rü“ keinen Platz findet, sieht er ein. Kritik an diesem Vorhaben solle das auch gar nicht sein. „Es sieht ja schön aus, jedenfalls schöner als das Autohaus früher.“

80 PROZENT DER KÄUFER AUS ESSEN

Drei Häuser zur Veronikastraße und insgesamt fünf im Innenhof entstehen derzeit für das Projekt „BelleRü“. Die 70 Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen haben Flächen zwischen 52 und 141 Quadratmetern. Rund 80 Prozent der Käufer kommen nach Angaben der Firma Interboden aus Essen.