Essen. . Wie schädlich sind Arzneimittel in der Schwangerschaft und danach? Für ein Forschungsprojekt sucht die Essener Beratungsstelle Bella Donna Betroffene.

Nacht für Nacht wälzt sich die werdende Mutter in ihrem Bett herum. Irgendwann ist die Not größer als der Respekt vor der Arznei: Sie greift zum Schlafmittel – und bleibt dabei. Weil sie sich lange nicht mehr so ausgeruht gefühlt hat. Doch längst nicht alles, was die Mutter zu sich nimmt, ist gut für das Baby. Von Alkohol und Nikotin lassen die meisten Schwangeren die Finger, denn es ist bekannt, welch fatale Folgen das für das Kind haben kann. Anders sieht es bei Arznei aus. „Über Medikamentenkonsum in der Schwangerschaft und danach liegen so gut wie keine Erkenntnisse vor“, sagt Gabriele Klärs von der Beratungseinrichtung Bella Donna. In der Landeskoordinierungsstelle für Frauen und Sucht will man das ändern und hat ein umfangreiches Forschungsprojekt ins Leben gerufen.

Schätzungen gehen bis zu 2,6 Millionen

Gesucht werden Frauen, gerne Schwangere oder junge Mütter, die bereit wären, über ihre Erfahrungen mit Medikamenten zu reden – anonym, vertrauensvoll und ungezwungen. Welche Art von Medikamenten haben sie genommen oder nehmen sie noch? Wie wirkte oder wirkt sich das auf das Kind aus, auch auf die Beziehung zwischen Mutter und Kind? Und war ein Arzt involviert? Fühlen oder fühlten sie sich abhängig? – All diese persönlichen Antworten sollen dazu beitragen, sie selbst und andere Frauen zu schützen oder ihnen besser helfen zu können. Denn, das stellt Bella-Donna-Geschäftsführerin Martina Tödte immer wieder fest: „Frauen mit einem Medikamentenproblem bekommen wenig Hilfe. Auch Ärzten bleiben ihre Nöte manches Mal verborgen.“ Oft handele es sich um „stille“ Abhängige, die schlecht oder gar nicht erreicht würden, weil sie ihre eigene Lage falsch einschätzen oder sich aus Scham nicht outen wollen.

Experten wie die Suchthelferinnen können nur vermuten, dass die Zahl der Betroffenen sehr groß sein muss. Schätzungen zufolge seien insgesamt bis zu 2,6 Millionen Menschen in Deutschland abhängig von Medikamenten, oft ohne es zu ahnen. „Sie denken sich: Was der Arzt verschreibt, kann ja nur gut sein“, sagt Gabriele Klärs. Andere suchten nach Mitteln und Wegen, um nicht dabei aufzufallen, mit welcher Regelmäßigkeit sie sich Arzneimittel beschaffen.

Die Familie lebt es vor

Die Notwendigkeit des Forschungsprojekts „Medikamentenabhängigkeit von Frauen“ hat auch das NRW-Gesundheitsministerium erkannt. Es unterstützt die Arbeit der Bella-Donna-Expertinnen. Ziel ist es, am Ende die neu gewonnenen Erkenntnisse in die Suchthilfe einfließen zu lassen und die Angebote in den Beratungsstellen zu verbessern.

Auch der Umgang mit Medikamenten nach einer Schwangerschaft spielt für Bella Donna eine Rolle. Gabriele Klärs ist sich sicher: „Kinder lernen das, was ihnen in der Familie vorgemacht wird. Wenn sie jedes Mal homöopathische Kügelchen bekommen, sobald sie hinfallen, denken sie: Pillen helfen immer. Wenn ich sie nehme, geht es mir gut.“ So etwas fördere eine unkritische Haltung gegenüber Medikamenten und das klassische Trösten werde verlernt.

Die Projektleiterin würde sich freuen, wenn sich neben Betroffenen auch Frauen melden, die früher medikamentenabhängig waren, aber erst jetzt bereit sind, darüber zu sprechen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sollen im Frühjahr kommenden Jahres präsentiert werden.

Die Kontaktdaten für Interessentinnen

Bella-Donna-Projektleiterin Gabriele Klärs bittet Frauen, die (anonym) von ihren Erfahrungen berichten können, sich bei ihr zu melden: 85 199 436 oder per Mail an g.klaers@belladonna-essen.de

Auf sie kommen ein telefonisches Vorgespräch und ein ca. einstündiges persönliches Gespräch zu. Für jede Teilnehmerin gibt es eine kleine finanzielle Aufwandsentschädigung. www.belladonna-essen.de