Essen. . Jobcenter kürzte 2017 in 12 339 Fällen das Geld – häufig, weil Betroffene Termine platzen lassen. Flüchtlinge tun sich mit der Bürokratie schwer.
Die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Das städtische Jobcenter verhängte in fast 12 340 Fällen Strafen gegen Leistungsbezieher. Das waren 20 Prozent mehr als im Vergleich zum Vorjahr, wie die Behörde auf Nachfrage mitteilte. Damit dürfte es sich um einen Rekordanstieg in jüngster Vergangenheit handeln.
Wenn das Jobcenter eine Sanktion ausspricht, heißt das für die Betroffenen: Ihnen wurde das Hartz-IV-Geld gekürzt. Je nach Schwere der „Pflichtverletzung“ können dies zehn bis 30 Prozent der Regelleistung sein. Die Kosten für Unterkunft sind davon ausgenommen.
Paritätischer übt Kritik an Kürzungen
In den allermeisten Fällen haben die Hartz-IV-Empfänger Termine unentschuldigt nicht eingehalten oder Meldefristen versäumt. Nur ein kleiner Teil dagegen verweigerte die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder Ausbildung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte deshalb jüngst die Sanktionspolitik der Jobcenter erneut kritisiert. Der überwiegende Teil gehe auf Banalitäten zurück. Das sei überzogen und absolut unverhältnismäßig. Auch der Essener Hartz-IV-Berater Jörg Bütefür meinte: „Es ist höchst fraglich, ob man den Menschen noch ans Existenzminimum gehen muss.“ Wer Widerspruch gegen angekündigte Kürzungen einlege, sei meist erfolgreich, sagt Bütefür.
Dass die Zahlen in Essen im Jahr 2017 so deutlich gestiegen sind, dafür macht das Jobcenter auch die Flüchtlingswelle verantwortlich. Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Ende ihrer Verfahren in den Leistungsbezug. „Viele haben ein anderes Verständnis über die Zusammenarbeit mit Behörden“, sagte die Sprecherin des Jobcenters. Das müsse erst eingeübt werden.
Flüchtlinge müssen Umgang mit Behörden erst lernen
Diese Erfahrung kann Rudi Löffelsend von der Caritas-Flüchtlingshilfe unterstreichen: „Vielen muss Pünktlichkeit und wie man mit Terminen umgeht, erst antrainiert werden“, sagte er. Zudem laufe in Deutschland alles über Papier. Flüchtlinge seien damit überfordert. Denn aus ihren Heimatländern würden sie das gar nicht kennen. Löffelsend: „Wenn man dort etwas regeln will, geht man einfach zum Amt.“ Hinzu kämen Probleme, die Behördenschreiben überhaupt zu verstehen. Anfangs lotsten noch viele Ehrenamtliche die Flüchtlinge durch den Behördendschungel. Doch die Zahl der Helfer nehme ab, stellt Löffelsend fest. Er fordert, dass solche Themen stärker in den Integrationskursen behandelt werden.
Neben der Flüchtlingswelle sieht das Jobcenter einen weiteren Grund für die Sanktionszunahme: Das Amt hat mehr Personal eingestellt. Die Betreuung ist somit intensiver geworden, Leistungsbezieher werden häufiger einbestellt. „Insgesamt ist festzustellen, dass die Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit abnimmt“, heißt es.