Essen. . Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger ist in Essen um zehn Prozent gestiegen. Einer der Hauptgründe für Strafen sind versäumte Termine.

Gängelei oder notwendiger Druck? Im vergangenen Jahr hat das Jobcenter deutlich mehr Strafen gegen Hartz-IV-Empfänger in der Stadt verhängt. Die Behörde erteilte nach eigenen Angaben insgesamt 11 528 Sanktionen. Das waren über 1000 Strafen mehr als im vergangenen Jahr – eine Zunahme also von rund zehn Prozent.

Wenn das Jobcenter Sanktionen verhängt, bedeutet dies: Den Betroffenen wurde das Hartz-IV-Geld gekürzt. Die Gründe dafür können verschieden sein. Je nach Schwere der „Pflichtverletzung“ können dies zehn bis 30 Prozent der Regelleistung sein. Die Kosten für Unterkunft sind davon nicht betroffen.

Arbeitslose wurden häufiger ins Amt einbestellt

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Zu den Gründen für die Zunahme sagt Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters: „Wir haben im vergangenen Jahr unsere Kundenkontakte ausgebaut“. Das heißt im Klartext: Das Jobcenter hat die Arbeitslosen entweder häufiger ins Amt einbestellt bzw. ihnen mehr Angebote unterbreitet. Wer dann nicht zum Termin erscheint oder einen zumutbaren Job ablehnt, dem droht die Sanktion. Das Ganze ist Teil der 2005 gestarteten Hartz-IV-Reform, die das Fördern und Fordern gleichermaßen in den Fokus nahm. „Wenn man mehr fordert, dann kommt dies dabei heraus“, sagt Gutschmidt klar.

Die meisten Sanktionen verhängte das Jobcenter, weil sich die Arbeitslosen nicht an Meldetermine oder -fristen hielten. Das betraf 9793 Fälle. 841 Mal zog das Amt die rote Karte, weil sich die Betroffenen nicht an ihre Eingliederungsvereinbarung hielten. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass derjenige sich nicht intensiv genug um einen Job (Bewerbungen) gekümmert hat. Schließlich wurde in 428 Fällen das Geld gekürzt, weil Betroffene sich geweigert haben, eine nach Ansicht des Amtes zumutbare Arbeit oder Ausbildung anzunehmen.

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Sanktionspraxis

Die Sanktionspraxis der Jobcenter kommt jedoch auf den Prüfstand. Das Sozialgericht Gotha hatte jüngst die Kürzung von Hartz IV als verfassungswidrig erklärt und den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur letztinstanzlichen Entscheidung vorgelegt.

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Ein Vorgang, der auch in Essen mit Interesse verfolgt wird. „Ich bin sehr gespannt“, sagt Gutschmidt. Damit flamme die alte Diskussion des bedingungslosen Grundeinkommens wieder auf. Gutschmidt stellt jedoch klar: „Das zu entscheiden, ist Aufgabe der Politik. Doch wenn man Fördern und Fordern will, dann brauchen wir die Möglichkeit der Sanktionen.“

Auch Ulrich Kanders, Hauptgeschäftsführer beim Essener Unternehmensverband, hält die derzeitige Sanktions-Praxis der Jobcenter für angemessen: „Wenn der Staat Unterstützungsleistungen erbringt, dann muss es auch zulässig sein, entsprechende Verbindlichkeiten zu formulieren“, sagte Kanders. Am Ende müsse das Ziel stehen, möglichst viele Langzeitarbeitslose wieder ans Arbeitsleben heranzuführen.