Essen. . An der Uniklinik gibt es ein hartes Ringen hinter den Kulissen. Das Pflegepersonal muss sich zwischen den zwei Arbeitgebern entscheiden.
Über 100 Jahre lang arbeiteten das Uniklinikum Essen und die DRK-Schwesternschaft in der Pflege von Patienten einträchtig zusammen. Doch nun sind aus den einstigen Partnern harte Konkurrenten geworden.
Es geht für beide Seiten um die entscheidende Frage, wie viele der rund 1200 DRK-Schwestern in den kommenden Monaten als „normale“ Arbeitnehmer ans Uniklinikum wechseln werden. Bislang sind sie Vereinsmitglieder bei der DRK Schwesternschaft und an das Uniklinikum als Pflegerinnen gestellt. Doch das Uniklinikum hat nach einem bahnbrechenden Urteil des Bundesarbeitsgerichtes im vergangenen Jahr den jahrzehntealten Kooperationsvertrag mit der Schwesternschaft gekündigt und allen DRK-Schwestern den Wechsel angeboten .
Uniklinik spricht von über 850 Wechselwilligen
Für die DRK Schwesternschaft könnte daraus eine existenzielle Frage werden. Und für das Uniklinikum zumindest das Problem entstehen, dass viele Pflegestellen nachbesetzt werden müssten, doch bekanntlich gilt der Arbeitsmarkt bei Pflegekräften als leergefegt.
Glaubt man den Zahlen des Uniklinikums, könnte es das laufende Tauziehen für sich entscheiden: Über 850 Schwestern hätten ihre Wechselbereitschaft angekündigt, sagt Thorsten Kaatze, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums. Die ersten Schwestern arbeiten bereits unter ihrem neuen Arbeitgeber. Zum 1. April sollen 500 Schwestern übergeleitet sein, stellt Kaatze in Aussicht. Bis zum Auslaufen des Kooperationsvertrages Ende September, hofft er, werden es mehr als 1000 sein. Erst in der vergangenen Woche gab es erneut eine Infoveranstaltung am Klinikum, um den Schwestern mögliche Wechsel-Bedenken zu nehmen. Sie hätten keine Einbußen beim Gehalt und den künftigen Rentenansprüchen zu befürchten.
Frist der Entscheidung läuft bis Ende März
Bereits bis Ende März hat ihnen das Klinikum eine Frist gesetzt, sich zu entscheiden. Das solle kein Ultimatum sein, betont Kaatze. „Wir brauchen aber für die Überleitung einen Vorlauf. Der Verwaltungsaufwand dafür ist groß.“
Der Ton zwischen den einstigen Partnern ist derweil rauer geworden. „Unsere Mitglieder werden unter Druck gesetzt, kurzfristig Entscheidungen zu treffen. Dies ist unnötig, da der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem Klinikum bis zum 30. September 2018 befristet ist“, moniert die Oberin der Schwesternschaft, Silke Schmalz. Durch die andauernde Ansprache der Schwestern entstehe Unruhe und Missmut. Mit der Freiwilligkeit des Wechsels, die das UK zugesagt hat, habe das wenig zu tun. Nach ihren Zahlen hätten erst 350 Schwestern zum 31. März ihre Mitgliedschaft gekündigt.
Freilich: Die DRK Schwesternschaft hat großes Interesse daran, in dem Ringen Zeit zu gewinnen und am Ende möglichst viele Schwestern in ihren Reihen zu halten. Sie setzt dabei auf den karitativen Anspruch ihrer Mitglieder. In internen Veranstaltungen soll von einer kritischen Größe von 300 bis 400 Schwestern die Rede gewesen sein, die die Schwesternschaft brauche, um weiter zu existieren.
Offiziell bestätigt das Oberin Schmalz nicht. Zur Frage, ob eine Insolvenz drohe, wenn zu viele Schwestern wechseln, erklärte sie: „Diese Fragen stellen sich uns nicht.“ Um den Schwestern wiederum eine Perspektive in ihren Reihen zu bieten, hat die Schwesternschaft in den vergangenen Monaten Kooperationsverträge mit anderen Krankenhäusern geschlossen. So hätten 50 Schwestern an andere Partner vermittelt werden können, heißt es. Im Vergleich zu den 1200 Stellen, die es bislang am Uniklinikum gab, ist das aber eine verschwindende Zahl. Außerdem regt sich auch schon bei neuen Kooperationspartnern wie im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid Widerstand gegen den Einsatz der Schwestern.
DRK Schwesternschaft malt düsteres Szenario
Ob am Ende der Patient am Uniklinikum die Folgen dieses Tauziehens zu spüren bekommt? Die DRK Schwesternschaft jedenfalls schürt ein düsteres Szenario: „Mit jeder Rotkreuzschwester, die das Uniklinikum Essen verlässt, wird es weiter zu Engpässen in der Versorgung der Patienten kommen. Die Qualität der pflegerischen Versorgung reduziert sich, es drohen Bettenschließungen und eine Minderversorgung“, glaubt Oberin Silke Schmalz.
Thorsten Kaatze wiederum tritt solchen Prophezeiungen deutlich entgegen. „Es wird nicht zu Personallücken kommen. Jede Stelle wird nachbesetzt. Das Uniklinikum ist ein attraktiver Arbeitgeber“, hält er entgegen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes und seine weitreichenden Folgen
Die DRK-Schwesternschaft Essen wurde 1913 gegründet. Damals schloss sie einen Kooperationsvertrag mit dem Vorläufer der Uniklinik. Demnach waren die Schwestern zwar Vereinsmitglieder und wurden aber als Pfleger der Klinik gestellt. Als es für die Schwesternschaft schwieriger wurde, neue Mitglieder zu finden, kam ihnen das Klinikum 2005 sogar entgegen: Wer dort in der Pflege tätig werden wollte, musste bei der Schwesternschaft Mitglied werden.
Der Gewerkschaft Verdi ist dieses Modell ein Dorn im Auge. Denn für die Schwestern gelten nicht die gesetzlichen Arbeitnehmerrechte wie Streikrecht oder die Möglichkeit, gegen den Arbeitgeber vors Arbeitsgericht zu ziehen. Der Betriebsrat der zum UK gehörenden Ruhrlandklinik brachte dieses Modell juristisch zu Fall. Das Bundesarbeitsgericht folgte 2017 dem Europäischen Gerichtshof, der die Schwestern nicht als Vereinsmitglieder sah sondern als Arbeitnehmer. Somit seien Schwestern nichts anderes als Leiharbeiter, die laut Gesetz maximal 18 Monate beschäftigt werden dürfen. Deshalb kündigte das UK den Vertrag.
Die politisch einflussreichen DRK-Schwesternschaften haben aber eine Ausnahme erwirkt. Im DRK-Gesetz wurde ihnen ein unbefristeter Einsatz erlaubt. Nun laufen die ersten Verfahren vor Arbeitsgerichten, ob diese Ausnahme mit dem EuGH-Urteil in Einklang steht.