Essen.. Der EuGH hat die Rotkreuz-Schwestern zu Arbeitnehmern erklärt. Der Fall aus Essen könnte das Geschäftsmodell der Schwesternschaft zu Fall bringen.


Die Wogen bei der DRK-Schwesternschaft Essen dürften derzeit hochschlagen. Bei der jüngsten DRK-Kreisversammlung entschuldigte Präsident Alfred Franzen seine Stellvertreterin Silke Schmalz – gleichzeitig Oberin der Essener Schwesternschaft – mit den Worten: „Die DRK Schwesternschaft steht vor schwierigen Zeiten“.

Das war noch milde ausgedrückt. Denn das über Jahrzehnte praktizierte Geschäftsmodell der DRK-Schwesternschaft könnte vor dem Zusammenbruch stehen. Betroffen wäre in Essen auch das Uniklinikum, wo der überwiegende Teil der 1300 Rot-Kreuz-Schwestern in der Pflege arbeitet.

DRK-Schwestern bald normale Arbeitnehmer?

Grund für den drohenden Umbruch im Gesundheitswesen ist ein vor wenigen Tagen veröffentlichtes Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Dieser hatte in einer lange schwelenden Streitfrage entschieden: Sind die Schwestern Vereinsmitglieder oder doch Arbeitnehmer? Der EuGH meint: Die DRK-Schwestern haben Arbeitnehmer-Eigenschaften. Das letzte Wort hat das Bundesarbeitsgericht. Dessen Urteil wird bis Mitte 2017 erwartet.

Verdi rechnet damit, dass sich das BAG der Rechtsmeinung anschließen wird. „Wir sind sehr zuversichtlich gestimmt“, sagte Petra Bäumler-Schlackmann, Personalratsmitglied am Uniklinikum und Verdi-Mitglied. Für die Gewerkschaft wäre es ein Triumph. Sie bekämpft das Geschäftsmodell schon lange. Denn nach Ansicht von Verdi haben die Schwestern keine Rechte wie „normale“ Arbeitnehmer. Sie können bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber nicht vors Arbeitsgericht ziehen, dürfen keinen Betriebsrat gründen und auch nicht an Streiks teilnehmen.

Ein Fall an der Ruhrlandklinik Essen brachte den Stein ins Rollen

Ausgerechnet ein Fall aus Essen könnte das Geschäft der Schwestern bundesweit zum Kippen bringen und somit Geschichte schreiben. Geklagt hatte die Ruhrlandklinik, eine Tochter der Uniklinik, gegen den eigenen Betriebsrat. Dieser hatte der Einstellung einer DRK-Schwester widersprochen, weil er die Auffassung vertrat, dass die Mitglieder der DRK-Schwesternschaft Arbeitnehmer sind. Damit sei eine auf Dauer angelegte Überlassung nicht zulässig.

Bisher sind die Schwestern nämlich über so genannte unbefristete Gestellungsverträge an den Kliniken beschäftigt. Wären sie Arbeitnehmer, dann würden sie unter das Leiharbeiter-Gesetz fallen. Zu allem Verdruss der Schwesternschaft hat der Bundesrat am Freitag der Verschärfung der Leiharbeits-Regeln zugestimmt. Ab 1. Januar dürfen Leiharbeiter künftig nur noch höchstens 18 Monate verliehen werden. Die DRK-Schwesterschaft wollte von dem Gesetz ausgenommen werden. Ohne Erfolg.

Bundesregierung verschärft die Regeln für Leiharbeit

Wie sich Uniklinikum und DRK-Schwesternschaft auf den möglichen Tag X vorbereiten, darüber halten sich beide Seiten bedeckt. „Der Verband der Schwesternschaften vom DRK hält es derzeit für nicht angemessen, einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Rechtsstatus von Rotkreuzschwestern vorzugreifen“, so Generaloberin Gabriele Müller-Stutzner auf Anfrage. Ähnlich äußerte sich das Uniklinikum.

Für die Personalratsvorsitzende Petra Bäumler-Schlackmann ist nur ein Weg denkbar: Die Uniklinik müsse alle Rotkreuzschwestern übernehmen.

>>> DIE GESCHÄFTSBEZIEHUNG ZWISCHEN SCHWESTERN UND KLINIK


Der Gestellungsvertrag zwischen Uniklinik und Schwesternschaft bzw. deren Vorläuferorganisationen wurde erstmals 1913 vereinbart, die Ruhrlandklinik wurde im Zuge der Übernahme durch das Uniklinikum Essen im März 2010 in diesen Vertrag mit aufgenommen.


Entlohnung: Die Rotkreuzschwestern werden gleich entlohnt wie beim Klinikum beschäftigte Pflegekräfte. Darüber hinaus zahlt das Klinikum der DRK Schwesternschaft eine Verwaltungspauschale. Unterm Strich dürfte es fürs Uniklinikum also nicht wesentlich teurer werden, falls es die Rotkreuzschwestern übernimmt.