Essen. Jazz-Offensive Essen präsentiert im Katakomben-Theater Konzerte mit einer subtilen Klangpracht. Dem Programm fehlen musikalische Kontraste.

Harte Konkurrenz fürs traditionelle Festival der Jazz-Offensive Essen (JOE): Die 22. Ausgabe der Veranstaltung im Rüttenscheider Katakomben-Theater litt unter Besuchermangel. Das mag auch am Philharmonie-Konzert des Trompeters Uli Beckerhoff am Freitagabend gelegen haben. Dabei hätte er als ehemaliger Folkwang-Professor ahnen können, dass er selbst die Katakomben leerblasen würde. JOE-Vorstand Patrick Hengst fand angesichts der wenigen Zuhörer dennoch freundliche Worte: „Die Konkurrenz ist hart, aber ihr seid ein treues Publikum!“

Und das erlebte drei Tage lang ein Programm, das sich im Rückblick als erstaunlich homogen und verblüffend kontrastarm erwies. Große Emotionen erlebte man zumeist in stiller, oft subtil inszenierter Klangpracht. Free-Jazz-Exzesse suchte man dagegen meist ebenso vergeblich wie rockige Grooves – von der Abwesenheit interessanter Instrumentalistinnen ganz zu schweigen.

Ein aufregender Ausreißer mit Daniel Bodvarsson

Sturmtief Friederike wirbelte den Donnerstag-Ablauf durcheinander – doch was der isländische Gitarrist Daniel Bodvarsson mit Verspätung doch noch nächtens mit dem Schlagzeuger Max Andrzejewski präsentieren konnte, das war ein aufregender Ausreißer im Festivalprogramm. Zu intelligent für Pop, zu Singer-Songwriter-mäßig für Jazz, funkelten Beatles-Fragmente neben Bill-Frisell-Anklängen und einer an Can erinnernden Schweineorgel, die Andrzejewski en passant neben knackigem Getrommel bediente.

Die Indie-Sounds ließen die Stars des Abends verblassen. Zwar ackerte Larry Grenadier sensationell am Bass, wozu Jeff Ballard leichthändig offene Strukturmuster am Schlagzeug zeichnete, doch reichte dies den meisten nicht aus, um von den linearen Tonleiter-Übungen ihres distanziert wirkenden Frontmans, Mark Turner am Tenorsax, wirklich überzeugt zu sein.

Ironie des Schicksals, dass es Christian Ugurel am Samstag mit drei Katalanen gelang, dessen Klangkonzept deutlich spannender umzusetzen. Da lieferten zwei Gitarristen, Jaume Llombart und Santi Careta, farbenreiche Texturen zu Jorge Rossys freiem Drumming, in das sich Ugurels Sax delikat einwob. Ein bewegendes Erlebnis, auch wenn die nur selten spielende Band gelegentliche Schwächen aufwies.

Strahlende Stimme und röhrendes Tenorsax

Almut Kühne, die einzige Dame im Spiel, setzte in freiem Ausdruck ihre strahlende Stimme gegen das in bester Shepp-Tradition röhrende Tenorsaxophon von Altmeister Gebhard Ullmann. Bezeichnend, dass die beiden in den schillernden Fluss ihrer Dialoge obendrein den einzigen Standard des Festivals integrierten – eine souveräne Leistung.

Noch so eine Überraschung war der finale Auftritt der „Killing Popes“ von Drummer Oliver Steidle, wo zwei Keyboards mit Frank Möbus’ delikat-rockiger Gitarre zu sanften Bass-Lines verblüffend verhaltene Klanggemälde schufen. Sublimierte Energie statt grooviger Ekstase – ein passender Ausklang für das „22. JOE-Festival“, dem mehr musikalische Kontraste nicht geschadet hätten.

>>> Neue JOE-Reihe in der Zeche Carl

Die „Jazz Offensive Essen e.V.“ (JOE) wurde im Sommer 1995 von Musikern und Jazzinteressierten gegründet. Bereits das erste „JOE-Festival“ 1996 stieß auf überregionale Resonanz. Heute ist es in der deutschen Szene fest etabliert.

Die JOE veranstaltet auch Sessions in der Lichtburg und Konzerte im Goethebunker. Neu ist die Kooperation mit der Zeche Carl, die am 7. Februar als „Betonmusik im Exil“ mit Tim Bernes „Big Satan“ startet. Info: www.jazz-offensive-essen.de.