Essen. . Band aufgelöst, Neues begonnen, sich treu geblieben. Anna Depenbusch geht ihren eigenen Weg der Pop-Poesie. Jetzt kommt sie nach Essen.
„Eine Band aufzulösen, das ist wie eine Beziehung zu beenden: Du weißt eigentlich schon länger, dass die Wege auseinandergehen werden, aber der Trennungsprozess zieht sich hin.“ Die großen grün-blauen Augen schweifen für einen langen Augenblick ins Leere, der „Scheidungsprozess“ scheint noch einmal vor dem inneren Auge Anna Depenbuschs abzulaufen.
Damals vor acht Jahren, als die Liedermacherin und ihre Band schon monatelang keine Konzerte mehr gespielt hatten und die finanziellen Nöte immer schwerer auf dem zierlichen Geschöpf lasteten. „Ich war wie gelähmt“, erinnert sich die Sängerin. „Die Trennung war dann wie eine Befreiung – ab da konnte etwas Neues beginnen.“
Das Ergebnis hieß erst „Die Mathematik der Anna Depenbusch“, dann „Sommer aus Papier“ und nun „Das Alphabet der Anna Depenbusch“: drei Alben, die die 40-Jährige wie schon den Debüt-Vorgänger „Ins Gesicht“ in Eigenregie komponiert und getextet, ja bis in die vielen bezaubernden künstlerischen Ideen auf Cover und Booklet selbst gestaltet hat. Denn die Hamburgerin besitzt nicht nur eine im Jazzgesangs-Studium geschulte, ungemein ausdrucksstarke Stimme sowie eine unglaubliche poetische Kraft und Klarheit in ihren deutschen Texten, sondern vor allem einen unbändigen Willen.
Mit der Ukulele ins Bett - Anna Depenbusch ist neugierig auf die Musik und ihre Instrumente
Und so wie das „Vollblut-Herbstkind“ schon früh wusste, sie würde einmal Musikerin werden, hat sie eben auch diese Alben ganz nach ihren Vorstellungen produziert – irgendwo zwischen Balladen, Chansons, Streicher-Arrangements mit Klassik-Flair und Singer/Songwriterin, Jazz und Soul gegenüber ebenso offen wie Country, lateinamerikanischen Einflüssen oder der Ukulele, in die sich die Künstlerin vor einigen Jahren verliebte und die mit ihr sogar die Schlafstatt teilen durfte...
Vor allem aber mit ebenso zärtlichen wie wortstarken Texten, in denen sie nicht nur ihre Seele offen legt, sondern die auch Offenbarung für andere Seelen sind. „Doch wenn wir, und das alles hier heute Nacht explodieren, hast Du nichts zu verlieren“, heißt es da etwa in einem Song, „denn Dir war alles egal, der Mensch zu banal und weil sich nichts für Dich lohnt, fühlst Du Dich unbewohnt und so dunkel und kalt – wie der Mond.“
Gegen den lauten Krawall der Musikindustrie stehen Anna Depenbuschs poetische Songs
Fraglos ist Anna Poetin genug, um sich in ihren kleinen Lied-Geschichten nicht in Banalitäten oder abgedroschenen Formulierungen zu verlieren. Weshalb ihre Texte auch tief berühren, ihre Songs mit einer Intelligenz und Strahlkraft daherkommen, die selten geworden sind im schnelllebigen, krawallig-lauten Musik-Business. Und die bei ihren Solo-Auftritten am Klavier ebenso funktionieren wie bei den Konzerten mit Band wie jetzt in der Zeche Carl. Vielleicht, weil sie ihren Inspirationen freien Lauf in Wort und Klang lässt. Genauer gesagt: Sich von den Liedern „anfliegen“ lässt, ist doch das zierliche Geschöpf überzeugt: „Es schwirren unendlich viele Songs umher, die noch gar nicht entstanden sind – und wenn sich dann einer für mich entschieden hat, findet er seinen Weg durch meine Gefühle und Harmonien.“ Und sie dabei selbst für ein diffuses und geschichtlich nicht ganz unbelastetes Gefühl wie Heimat eine wunderbar schlichte, lyrische Form: „Weil ich hier hergehöre, ob ich will oder nicht, ich habe keine Wahl, sie hat mich, ganz egal wo ich bin.“
Für Anna liegt diese Heimat noch im szenigen Hamburger Schanzenviertel. Doch gut möglich, dass es ihr „eines Tages hier zu eng, zu laut, zu dreckig“ wird und die Sehnsucht nach einem Häuschen in der Einsamkeit sie in die Weiten Schleswig-Holsteins zieht. Zumal sich dort dann auch einer ihrer vielen Träume erfüllen ließe: Nachts laut Schlagzeug zu spielen und singend nackt durch den Garten zu laufen.