Essen. . Im Norden des Krupp-Gürtels entsteht mit „Essen 51“ ein neuer Stadtteil. SPD-Ortsverein kritisiert Planung für Straßenbahntrasse als zu behäbig.
Es ist das größte Stadtentwicklungsprojekt der vergangenen Jahrzehnte und sicher eines der ambitioniertesten: Mit dem ersten Spatenstich gibt die Essener Thelen-Gruppe am 6. März im Kruppgürtel den offiziellen Startschuss für den Bau eines neuen Stadtquartiers.
Bis zu 1500 Wohnungen sollen auf dem Areal zwischen Pferdebahn- und Bottroper Straße entstehen, dazu Büros. Restaurants. . . – ein neuer Stadtteil, mit 60 Hektar so groß wie 120 Fußballfelder.
Die Bagger rollen schon, in zwei Jahren soll das Areal komplett erschlossen sein. Wohl gemerkt: Es geht um Straßen, um die Kanalisation. Nicht aber um die Straßenbahntrasse, die eines schönen Tages von der Haus-Berge-Straße in Bergeborbeck kommend durch den nördlichen Kruppgürtel führen soll.
Planungen erst am Anfang
Noch ist das Zukunftsmusik. Zwar taucht die Trasse schon im 2012 aufgestellten Rahmenplan für die Entwicklung des ehemaligen Krupp-Areals auf, die Planungen stehen aber erst am Anfang. Höchste Zeit, aufs Tempo zu drücken, meint Matthias Vollstedt, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Mitte.
Vollstedt, der als Verkehrsdezernent bei der Bezirksregierung Düsseldorf unter anderem für Fragen rund um den öffentlichen Personen-Nahverkehr zuständig ist, erinnert daran, dass 20 Jahre vergehen mussten, bis die Stadt das kurze Trassenstück der Linie 109 zwischen der Altendorfer Straße und der Frohnhauser Straße in Betrieb nehmen konnte; an eben diese Trasse soll die Neubaustrecke durch den nördlichen Krupp-Gürtel einmal anschließen.
Anbindung an ÖPNV so früh wie möglich
„Diese Behäbigkeit können sich Stadt und Ruhrbahn bei Essen 51 nicht mehr leisten“, ist Vollstedt überzeugt. Erfahrungen in anderen Städten wie Mainz, Bremen, Heidelberg und Rostock belegten, dass es sinnvoll sei, wenn Straßenbahnlinien frühzeitig gebaut werden.
Am besten, die Bahn hält schon vor der Tür, wenn die ersten Bewohner eines neuen Stadtquartiers einzögen. Nur so habe der öffentliche Nahverkehr eine Chance von Anfang an Teil der Lebensgewohnheiten im neuen Viertel zu werden.
Auch die Thelen-Gruppe, die im Krupp-Gürtel nach eigenen Angaben etwa eine Milliarde Euro investiert, hat nach den Worten von Chefplaner Stefan Christochowitz Interesse daran, dass die Straßenbahntrasse „schnellstmöglich gebaut wird“. Die ÖPNV-Anbindung sei wichtiger Bestandteil des Verkehrskonzeptes.
Car-Sharing, Mibilstationen und Shuttle-Service
Am Reißbrett hat Thelen ein modernes Stadtquartier entworfen, in dem die Bewohner die Wahl haben zwischen Car-Sharing, Mobilstationen und Shuttle-Service. Eines, wo der Tiefgaragenplatz für das eigene Auto nicht höchste Priorität genießt. Im Gegenteil, aufs Auto sollen die Bewohner leichten Herzens verzichten können.
Der genaue Verlauf der Straßenbahntrasse soll im noch anstehenden Bebauungsplanverfahren festgelegt werden, sagt Christochowitz. Im Nahverkehrsplan, den der Rat der Stadt im vergangenen Jahr fortgeschrieben hat, ist die Neubaustrecke bereits verzeichnet.
Priorität genießt allerdings der Bau der so genannten Bahnhofstangente: die oberirdische Gleisstrecke von der Hollestraße kommend, am Hauptbahnhof vorbei, weiter entlang der Hachestraße durch den südlichen Teil des Krupp-Gürtels bis zur Frohnhauser Straße.
Stadt rechnet 2023 mit Baubeginn
Diese Tangente würde das unterirdische Schienennetz, das heute bereits an seine Grenzen stößt, spürbar entlasten. Die Stadt rechnet mit einem Baubeginn 2023, denn noch ist die Finanzierung nicht gesichert. Zwei Jahre später könnte die Bahnhofstangente in Betrieb gehen, möglicherweise auch schon früher.
Die Planungen für die „Nördliche Erweiterung des Berthold-BeitzBoulevards“ – unter diesem Titel firmiert das Trassenstück durch den nördlichen Krupp-Gürtel bei der Ruhrbahn -- sei erst einmal zurückgestellt worden.
Die ersten Häuser im neuen Stadtquartier Essen 51 sollen in drei bis vier Jahren stehen.
Denkmalschutz wirft ein Auge auf das Fördergerüst
Auch die Thelen-Gruppe möchte das Wahrzeichen der ehemaligen Zeche Amalie erhalten
Es ist ein Relikt des Bergbaus und eine weithin sichtbare Landmarke im Krupp-Gürtel: das Fördergerüst der ehemaligen Zeche Amalie. Nun, da die Thelen-Gruppe im nördlichen Teil des gewaltigen Areals mit „Essen 51“ ein neues Stadtquartier errichtet, stellt sich die Frage, was aus dem stählernen Riesen wird. „Wir haben ein großes Interesse daran, dass das Fördergerüst erhalten bleibt“, sagt Stefan Christochowitz, Projektleiter für „Essen 51“ bei der Thelen-Gruppe.
Auch wenn die Zeche Sälzer Amalie schon 1966 stillgelegt wurde, erfüllt das Fördergerüst bis heute seinen Zweck. Die RAG nutzt es, um Grubenwasser aus großer Tiefe abzupumpen, damit Bergwerke, die noch in Betrieb sind, nicht buchstäblich absaufen.
Ab 2020 pumpt die RAG kein Grubenwasser mehr ab
Neben Amalie dienen auch Zollverein und die ehemaligen Zeche Heinrich in Überruhr der so genannten Wasserhaltung. 2020 ist damit Schluss. Dann wird die RAG kein Grubenwasser mehr abpumpen und in die Emscher leiten. Bekanntlich wird der Fluss, der zu einer Kloake verkommen ist, mit Milliarden schwerem Aufwand renaturiert.
Da Grubenwasser stark mineralisiert ist, tut es auch den Klärwerken nicht gut, heißt es. Lediglich auf Zeche Heinrich will die RAG die Wasserhaltung aufrecht erhalten, eingeleitet wird das Wasser in die Ruhr.
Blickfang und Wahrzeichen
Das Fördergerüst der ehemaligen Zeche Amalie hätte also bald ausgedient. Vielleicht könnte ein Aussichtsturm daraus werden. Ein Blickfang bliebe es allemal und ein weiteres Wahrzeichen, das an die lange Bergbautradition im Ruhrgebiet erinnert. Auf Amalie reicht sie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück.
Da überrascht es nicht, dass sich auch der Denkmalschutz für das Fördergerüst interessiert. Wie Stefan Christochowitz berichtet, hat das beim Landschaftsverband Rheinland angesiedelte Amt für Denkmalpflege das Gerüst bereits in Augenschein genommen. Ob das Interesse auch dem benachbarten Maschinenhaus gilt, bleibt vorerst offen.