Essen. . Angela Witt ist seit 12 Jahren Standesbeamtin in Essen. In ihrer Dienstzeit erlebt sie viel Schönes und Kurioses. Bei ihr wird die Liebe ernst.
Wenn die Liebe ernst wird, landen die meisten Paare vor dem Standesamt. Ihren Glauben an die gemeinsame glückliche Zukunft wollen sie festhalten und durch eine rechtlich verbindliche Unterschrift besiegeln. Daran ändern auch nichts die hohen Scheidungsraten.
Im Gegenteil: Heiraten ist in und wird mit viel Brimborium betrieben. Davon kann Angela Witt ein Lied singen: Fast täglich begleitet die Standesbeamtin willige Paare beim Jawort. „Das ist in den meisten Fällen ein sehr schöner, besonderer Augenblick“, sagt sie.
Jeder Standesbeamte muss eigene Worte finden
Die 47-Jährige hat ihre Freude daran, der Liebe einen amtlichen Segen zu verpassen. Da sie das bereits seit zwölf Jahren tut, hat sie jede Menge Routine. „Meine Traurede kann ich natürlich auswendig und je nach Paar immer mal variieren.“
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Angela Witt sagt „meine Traurede“, weil jeder Essener Standesbeamte seine eigenen Worte für die Trauung finden muss. Das ist sozusagen eine der Grundvoraussetzungen, um diesen Job auszuüben. „Selbst unser Oberbürgermeister musste sich eine eigene Rede überlegen, als er zum Standesbeamten ausgebildet wurde.“
Etwa 8 000 Paare getraut
An ihre erste Trauung kann sich Angela Witt gut erinnern: „Ich war aufgeregter als das Paar. Und das habe ich auch direkt am Anfang ohne Scheu gesagt. Danach waren wir alle entspannter.“ Wie viele Paare sie mittlerweile in den Stand der Ehe befördert hat, kann die Beamtin nur schätzen. „In der Regel haben wir pro Beamten donnerstags und freitags sieben Trauungen.“ Das macht 14 pro Woche, hochgerechnet auf zwölf Jahre abzüglich Urlaub steht dann die ungefähre Zahl 8000.
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„Puh, das ist eine Macht“, sagt Angela Witt und lacht. Das tut sie gerne und oft, was ihr viel Sympathie bei den Heiratswilligen einbringt. In ihrem Büro zeugt eine große Wand mit Hochzeitsfotos und Danksagungen von dieser Wertschätzung.
Sekt und Reis gibt es fast immer
In den meisten Fällen sitzen glückliche Paare vor Angela Witt. Viele Bräute kommen ganz in Weiß mit Schleier und Schleppe, die Bräutigame passend im feinsten Zwirn. Manche mieten für den Tag der Tage weiße Kutschen, Oldtimer oder Stretch-Limousinen, andere fahren mit dem Tandem oder der Straßenbahn zum Standesamt. Sekt gibt es fast immer, es wird (obwohl verboten) Reis geworfen und mindestens genauso oft geweint wie gelacht. Quengelnde Kinder, verspätete Gäste, vergessene Ringe – „ich habe schon alles erlebt“.
Weiße Socken und Käppi
Unvergessen sind ihr die Paare, die im außergewöhnlichen Outfit kamen. „Ich habe mal Gothic-Fans getraut, die ganz in Schwarz kamen und dreieckige Ringe austauschten.“ Auch eine komplette Hochzeitsgesellschaft im 1920er Jahre-Look stand schon vor Angela Witt. Das sind die schönen Momente.
Es gibt aber auch schlechte: Paare, die mit unbeweglicher Miene vor ihr sitzen, Sie in Jeans und Schläppchen, Er in Dreiviertelhose, weißen Socken und Käppi. „Da fragt man sich innerlich, wie dieses Paar jemals auf die Idee gekommen ist, zu heiraten.“
Äußerlich darf sich Angela Witt natürlich nichts anmerken lassen. Nur wenn sie den berechtigten Verdacht hat, die Ehe werde nur zum Schein geschlossen oder ist arrangiert, gibt es eine getrennte Befragung beider Partner um herauszufinden, ob sie sich kennen. Das findet allerdings schon vor der Eheschließung statt.
Wenn es ernst wird
Wird es während einer Hochzeit gar zu lustig, muss sie schon mal auf den Ernst der Situation hinweisen. „Schließlich ist die Eheschließung ein rechtlicher Akt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist da kein Platz für Spaß“, sagt sie und erzählt von dem Kollegen, der eine Trauung abbrechen musste, weil die Braut aus Übermut „Nein“ gesagt hatte. „Das war am 1. April.“ Die meisten Paare sieht Angela Witt nur einmal in ihrem Leben, andere tauchen auch schon mal ein paar Jahre später mit neuen Partnern wieder auf.
Dann gibt es noch die Paare, die keinen deutschen Pass besitzen. „Mit diesen habe ich oft lange zu tun, bis alle Papiere vollständig da sind.“ Es sind diese Paare, die ihr besonders ans Herz wachsen. „Wenn die dann endlich heiraten dürfen, dann bin ich sehr gerührt.“ Gerührt ist Angela Witt auch, wenn Paare vor ihr stehen, die sich erst im reifen Alter getroffen haben. „Oft kommen diese Paare alleine und sind dann so ganz bei sich. Das sind die persönlichsten Eheschließungen für mich.“
Selbst ist sie unverheiratet
Sie selbst saß übrigens noch nie auf der „anderen“ Seite. „Das mag für eine Standesbeamtin ungewöhnlich sein, aber ich bin unverheiratet.“ Das sei allerdings keine Nachwirkung ihres Jobs.
>>> INFO: Nachts um drei Uhr zur Anmeldung
Eheschließungen sind in Essen nur in den in der Gemeindeordnung festgelegten Trau-Bereichen möglich: Im Schloss Borbeck, im Standesamt im Gildehof, im Kettwiger und im Krayer Rathaus, auf Zollverein und auf zwei Schiffen der Weißen Flotte. Trauungen unter freiem Himmel (zum Beispiel in der Gruga) oder in anderen Locations sind in Essen daher ausgeschlossen.
Frühestens sechs Monate vor der geplanten Hochzeit können sich Paare im Standesamt anmelden. Besonders groß ist die Nachfrage für spezielle Tage: Wer z. B. am 8. 8. 2018 heiraten will, muss schnell sein. „Dafür sitzen die Paare oft schon nachts um drei Uhr vor dem Standesamt“, so Angela Witt.
Für die Hochzeit braucht das volljährige Paar Geburtsurkunden, Ausweis und Familienstandnachweis. Trauzeugen sind nicht mehr vonnöten, können aber mitgebracht werden.