Essen. . Glücklich verheiratet, aber nicht körperlich treu. Unsere Autorin hat ihre Beziehung geöffnet. Für sie ein gutes Konzept – trotz Verletzungen.

  • Ehemann, Kinder, Liebe: Unsere Autorin ist glücklich, aber nicht treu
  • Ihr Mann und sie schlafen auch mit anderen Partnern und erzählen sich davon
  • Für sie eine große Chance, sich nicht durch Lügen zu verletzten

Als mein Mann das erste Mal mit einer anderen Frau geschlafen hat, war da diese Leere. Die Frage, ob wir die richtige Entscheidung getroffen hatten. Ob ich so kühl bin, wie ich immer glaubte. Es war meine Idee gewesen, die Idee der idealen Beziehung: treu in der emotionalen Verbundenheit, offen im Ausleben der körperlichen Freiheit.

Liebend füreinander da sein, einander ein Partner, Kompagnon, bester Freund und Liebhaber sein, aber zugleich die Aufregung des Neuen nicht missen; einander so zu vertrauen, dass Sex mit jemand anderem möglich ist, weil keine Verlustängste herrschen. Es schien mir unmöglich, ein Leben körperlich mit nur einem Menschen zu teilen, auch wenn das voller Liebe der Mann ist, den ich mir lebenslang an meiner Seite wünsche.

Fremdgehen wäre eine verletztende Lüge

Die Ehe und unsere Kinder geben Geborgen- und Sicherheit. Diese schützende Gewohnheit sollte nicht alles bleiben. Mein Mann hat lange darüber nachgedacht, ob er sich auf meine Idee einlassen möchte. Es war ein zweimonatiger Prozess vieler Gespräche, Überlegungen über Regeln und des Abwägens.

Ob wir völlig ehrlich zueinander sein sollten oder ob das Wissen darüber ausreicht, dass der andere sich vergnügt – ohne dass klar ist, wie und mit wem. Schließlich sagte er: „Ich möchte nicht, dass wir uns irgendwann trennen, weil einer von uns fremdgeht.“ Weil das eine Lüge wäre, die zu tief verletzen würde, als dass wir sie unbeschadet überstehen könnten. Indem wir unsere Beziehung öffneten, wollten wir dieses Risiko umgehen.

Keine Verabredungen zu Hause

Entschieden haben wir uns für das Konzept, uns immer zu erzählen von allem, was außerhalb unserer Ehe passiert. Ich weiß, mit wem mein Mann schläft, wann er sich mit einer Frau trifft. Er kennt die Männer, mit denen ich schlafe, weiß, in welche Hotelbetten ich mich mit ihnen lege, in welchen Bars ich mit ihnen ein Glas Wein trinke.

Diese Ehrlichkeit erzeugt jedoch auch Schmerzen — und bis zu einem gewissen Punkt ist das legitim, denn natürlich bedeutet es uns etwas, wenn einer mit anderen intim ist.

Mit einer knappen Antwort ist der Mann zufrieden

Noch ist da nicht die Routine, die uns Eifersucht völlig vergessen ließe. Vielleicht wird es sie auch nie geben. Die Vorstellung, dass mein Mann einer anderen Frau nah ist, löst Beklemmung aus in dem Moment, in dem ich alleine zu Hause bin. Dabei ist er derjenige, der unser Arrangement viel seltener auslebt.

Zu Beginn habe ich ihn animiert, online gezielt nach Frauen zu suchen, aber das war zu zeitraubend. Wir sind beide nicht aktiv auf der Suche, ich gebe mich Gelegenheiten aber schneller hin. Wenn ich von Verabredungen zurückkomme, fragt mich mein Mann, wie sie waren, und ist zufrieden mit einer knappen Antwort. Er hinterfragt meinen Männergeschmack, wägt ab, ob derjenige eine Gefahr ausstrahlt, könnte Einspruch einlegen.

Wir haben Regeln vereinbart: keine Verabredungen in unserem Zuhause, nie ungeschützt, nicht im Freundeskreis. Und die Verbindung zu anderen soll nie ein Defizit in unserer eigenen ausgleichen. Für uns kann es nur funktionieren, wenn wir miteinander zufrieden und glücklich sind. Wenn wir uns bei Schwierigkeiten nicht in die Arme anderer flüchten.

Glücklich und zufrieden ohne Besitzansprüche

„Ich verurteile das nicht, aber ich könnte es nicht“, sagen viele Freunde im gleichen Alter. Die meisten stehen am Anfang einer Ehe oder kurz vor ihr – diese gerade erst fürs Leben geschlossene Verbindung zu öffnen, scheint ihnen unmöglich, sei es aus Angst, der Partner könnte sich fremdverlieben, sei es wegen der Unvorstellbarkeit, ihn körperlich zu teilen. Oft sind es auch Bedenken vor dem Unbekannten und Unkonventionellen.

Eine Freundin führt seit einigen Monaten eine Beziehung zu einem polyamoren Mann. Er hat einen Sohn, seine Freundin hat einen weiteren Partner und nun ist meine Freundin in diese Konstruktion hineingewachsen, verbringt Zeit mit allen Beteiligten, ist beseelt von dieser neuen Form der Liebe. „Geht es dir wirklich gut?“, fragen ihre Freunde sie, zweifelnd, ob so eine Beziehung halten kann.

Es fühlt sich an wie ein Trend der Generation der 30-Jährigen in zwei Richtungen: entweder sich zurückbesinnen auf die traditionelle Tugend der Ehe, das Fremdgehen verteufeln und es sich gar nicht erst vorstellen können. Oder schonungslos offene Liebe propagieren.

Verletzungen stärken die Beziehung

Für meinen Mann und mich sind die Gefahren, die wir uns durch fremde Partner in unsere Beziehung holen, nicht größer als die Gefahren der Routine, der nicht gestillten Lust auf Abwechslung und Aufregung.

Männer, die mit mir schlafen oder mit Freundinnen, die ähnlich leben, sind meist älter und geschlossen verheiratet. Sie betrügen ihre Ehefrauen und beweisen mir damit, dass eine ewig treue Verbindung kaum möglich ist. Oft scheint die Liebe den Alltag aus Kindern, Beruf, Routine nicht ohne Verdruss zu überstehen.

Restrisiko: Scheitern ist möglich

Vielleicht scheitern wir auch grandios an unserer Hoffnung, dass alles möglich ist: liebevolle Zweisamkeit teilen und Sehnsüchte ausleben. Den Versuch wollen wir aber wagen – trotz der kleinen Verletzungen, die uns letztlich immer wieder stärker miteinander verbinden.

Die Autorin, die anonym bleiben möchte, ist der Redaktion bekannt. Sie lebt mit Mann und Kindern in Essen. Alle Folgen unserer Liebesserie „Bei aller Liebe“ gibt es unter www.waz.de/essen-liebe.