Essen. . Soziale Lasten müssten gerechter auf die Stadtteile verteilt werden. Wie? SPD-Chef Thomas Kutschaty fordert eine Sozialquote im Wohnungsbau.
- Essens SPD-Chef Thomas Kutschaty fordert als Reaktion auf Zuwanderung Sozialquote im Wohnungsbau
- Soziale Lasten gerechter auf Stadtteile verteilen. OB Kufen habe Teil der Lösung in der Hand
- Kritik an der SPD aus den eigenen Reihen. Parteivorstand Endruschat: 30 Jahre verfehlte Stadtentwicklung
Nachdem Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) sich öffentlich für eine Begrenzung der Zuwanderung ausgesprochen hat, tritt auch die SPD für eine Korrektur in der Integrationspolitik ein: Die sozialen Lasten müssten gerechter in der Stadt verteilt werden. Parteichef Thomas Kutschaty untermauerte vor diesem Hintergrund den Ruf seiner Partei nach Einführung einer verbindlichen Sozialquote im Wohnungsbau. „Ich fordere das, die SPD fordert das“, sagte der Landtagsabgeordnete aus Schönebeck.
Prägnanter äußerte sich Karl-Heinz Endruschat, SPD-Vorstandsmitglied und Ratsherr aus Altenessen: Essens Problem sei der hohe Anteil an Empfängern von Transferleistungen und an Migranten im Norden der Stadt. Diesen Menschen müsse die Möglichkeit eröffnet werden, auch in den südlichen Stadtteilen bezahlbare Wohnungen zu finden. Im Gespräch mit der Redaktion forderte der SPD-Ratsherr deshalb ein Sozialwohnungsbauprogramm für den Essener Süden. „Wenn in Werden sechs Prozent Migranten leben und es sich dabei größtenteils um Studierende der Folkwang Universität handelt oder um Ärzte am örtlichen Krankenhaus, der Anteil im Essener Norden aber bei über 30 Prozent liegt, dann stimmt etwas nicht in dieser Stadt“, sagte Endruschat. Wörtlich sprach der Ratsherr von einer verfehlten Stadtentwicklungspolitik „der vergangenen 30 Jahre“.
Ratsherr beklagt verfehlte Stadtentwicklungspolitik
Seine eigene Partei sparte Endruschat nicht aus. Diese habe Kritik an der Migrationspolitik und an den sozialen Folgen viel zu lange tabuisiert. „Es geht hier nicht um die AfD. Die Probleme haben wir schon viel länger, nur haben wir sie nicht offen angesprochen“, sagte der Ratsherr in Anspielung auf die Rechtspopulisten, die bei der Bundestagswahl im Essener Norden zweistellige Ergebnisse einfahren konnten, dies vor allem zu Lasten der SPD.
Inzwischen sei Bewegung in die Partei gekommen. „Wenn ich so höre, was Frau Nahles in Berlin so von sich gibt – vor zwei Jahren hätte ich so etwas nicht sagen können, ohne dafür ein Parteiausschlussverfahren zu riskieren.“ Zur Erinnerung: Endruschat zählte zu jenen SPD-Politikern, die 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle vor einer Überforderung des Essener Nordens gewarnt hatten und die für eine gerechte Verteilung der Schutzsuchenden über das gesamte Stadtgebiet eintraten. Von der eigenen Parteispitze wurden sie daraufhin zurückgepfiffen – wie Kutschaty betont, weil die Ortsvereine einen Demonstrationszug durch den Essener Norden planten. Ein Protestzug, an den sich AfD und die rechtsextreme NPD anschließen wollten. „Unsere Aussagen damals waren richtig“, sagt Endruschat heute.
Die Einführung einer Sozialquote im Wohnungsbau wäre auch für die SPD nicht die Lösung des Problems, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Entscheidend sei nicht die Frage, wo Zuwanderer vorübergehend untergebracht würden, sondern wo sie wohnen, wenn sie die Übergangswohnheime wieder verlassen, gibt Kutschaty zu bedenken. Preiswerten Wohnraum fänden die Menschen im Norden und Westen der Stadt, wo sich soziale Konflikte verschärfen. Kutschaty kritisiert, dass die CDU sich einer Sozialquote verweigere. „Wenn der Oberbürgermeister das Integrationsproblem schon anspricht, dann sei er daran erinnert, dass er einen Teil der Lösung selbst in der Hand hat.“
SPD konnte sich gegen die CDU nicht durchsetzen
Im vergangenen Jahr hatte allerdings auch die SPD Forderungen nach einer Sozialquote, wie sie seinerzeit die Linke formulierte, im Rat der Stadt nicht mitgetragen – aus Rücksicht auf den Koalitionsfrieden, wie Kutschaty sagt. Seine Fraktion habe sich gegen die CDU nicht durchsetzen können.
Gängige Praxis ist laut Verwaltung, bei neu aufzustellenden Bebauungsplänen einen Anteil an Sozialwohnungen von 30 Prozent einzufordern. Es sieht so aus, als ginge dies der SPD nicht weit genug.