Essen. In Essen gibt es besonders viele Arbeitslose ohne Berufsabschluss. Der Leiter des Jobcenters, Dietmar Gutschmidt, nennt die Gründe dafür.

  • 37 Prozent der Arbeitslosen In Essen haben keinen Berufsabschluss.
  • Der hohe Anteil sei die Folge des Strukturwandels, sagt der Leiter des Jobcenters.
  • Gerade in den Hartz-IV-Familien gebe es wenig Vorbilder, eine Ausbildung zu machen.

Über 37 Prozent der Arbeitslosen in Essen haben keinen Berufsabschluss und sind somit schwerer in eine Arbeit zu vermitteln. Essen liegt mit dieser Quote zudem deutlich über dem Landesschnitt. Warum ist der Anteil hier so hoch?

Dietmar Gutschmidt: Das ist immer noch eine Folge des Strukturwandels.

Aber der Strukturwandel liegt nun schon ein paar Jahrzehnte zurück.

Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters.
Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters. © Knut Vahlensieck

Das stimmt, aber jetzt betrifft es die Kinder und Enkel dieser Familien, die vom Strukturwandel betroffen waren.

Deren Arbeitslosen-Karrieren werden also vererbt?

Genau. Wir beobachten, dass in Familien, die von Hartz IV leben, die Bildung der Kinder nicht so beachtet wird, wie es nötig wäre. Auch das Bewusstsein, eine Ausbildung zu machen, ist in solchen Familien nicht so ausgeprägt. Das sind Prozesse, die sich über mehrere Jahre entwickelt haben. Hinzu kommt, dass in manchen Familien mit Migrationshintergrund die duale Ausbildung nach wie vor nicht so bekannt ist. Viele kamen als Gastarbeiter nach Essen und sind Hilfsarbeiter geblieben. Schließlich hat aber auch die Flüchtlingszuwanderung, von der wir in Essen besonders betroffen sind, zu einem Anstieg der Menschen ohne Berufsabschluss geführt. Denn viele haben keine verwertbaren Abschlüsse.

Was tut das Jobcenter, um die von Ihnen beschriebenen Hartz-IV-Karrieren zu durchbrechen?

Unser Problem ist, dass wir erst aktiv werden können, wenn die Jugendlichen 15 Jahre alt sind. Dann ist vieles aber schon vorgeprägt. Viele sind schulmüde, haben die Bindung an die Schule verloren. Wir haben unsere Projekte im Bereich der unter 25-Jährigen deshalb verändert, haben sie weniger verschult aufgestellt. Denn auf die Schulbank lassen sich diese jungen Menschen wegen der vielen Negativerfahrungen nicht mehr ein. Es geht darum, den jungen Menschen wieder eine Erfolgsperspektive zu geben und sie zu motivieren, sich anzustrengen. Wir arbeiten aber mittlerweile auch früh mit Schulen zusammen. Das Landesprogramm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ hat da schon einiges gebracht.

In den Zahlen lässt sich das aber noch nicht ablesen.

Es braucht eben Zeit. Unsere Prämisse bleibt es, junge Menschen in eine Ausbildung zu bringen.

Was machen Sie aber mit Menschen ohne Berufsabschluss, die zu alt für eine Ausbildung sind?

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Um es deutlich zu sagen: Eine Ausbildung kann auch mit Mitte 30 noch Sinn machen. Bei den Älteren wiederum geht es zum einen um Qualifizierung oder um niederschwellige Beschäftigungsangebote. Noch mehr Geld in Ein-Euro-Jobs zu stecken, kann aber nicht die Lösung sein. Wir müssen Beschäftigung als Wert erkennen. Deshalb brauchen wir endlich einen sozialen Arbeitsmarkt.

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Die Zahl der Arbeitslosen ohne Berufsabschluss ist im Bereich des Jobcenters zuletzt stetig gestiegen. 2014 waren es 19 915 und 2016 schon 21 312 Betroffene. Vielen der beim Jobcenter gemeldeten Arbeitslosen fehlt aber nicht nur eine Berufsausbildung, sie haben auch die Schule ohne Abschluss beendet: von den knapp 29 000 Arbeitslosen im Jahr 2016 betraf das über 11 000 und somit jeden Dritten.

Zwar ist ein Schulabschluss nicht zwingend notwendig, um eine Ausbildung zu beginnen. Aber in der Praxis stellen Unternehmen eher keinen Jugendlichen als Azubis ein, der die Schule nicht geschafft hat.

In den vergangenen Jahren betrug der Anteil der Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, zwischen sechs und sieben Prozent. Regelmäßig liegt Essen damit auch über NRW-Schnitt.