Essen. . Michael Lartz hat lange gebraucht, bis er seine berufliche Perspektive fand. Mit 39 Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Zweirad-Mechaniker.
Als Michael Lartz mit seinem dreistöckigen Rad – gleich einer Giraffe – vergangenes Jahr bis nach Berlin tourte, das war das für den Essener ein Höhenflug. Viele Passanten blieben stehen und bestaunten sein ungewöhnliches Gefährt mit der davor gespannten Holzkiste voller Colaflaschen. Ein stolzes Gefühl für den Essener, der in seinem beruflichen Leben einige Tiefschläge verkraften musste und dem lange Zeit eine Perspektive fehlte. Nun aber war er auf dem richtigen Weg.
Michael Lartz ist ein Spätstarter. Der 39-Jährige wird am 1. September eine Ausbildung zum Zweirad-Monteur in der Fahrrad-Werkstatt der Neuen Arbeit der Diakonie beginnen. Es ist in seinem Leben die erste Berufsausbildung. Lange Jahre schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, versuchte sich in der Selbstständigkeit, war immer wieder arbeitslos, lebte von Hartz IV.
Wie Michael Lartz haben 37 Prozent der Arbeitslosen in Essen keine Berufsausbildung und sind daher ungleich schwerer in einen Job dauerhaft zu vermitteln. Bis vor einiger Zeit machte sich der 39-Jährge darüber keine Gedanken. „Ich hab ja immer irgendwas gemacht.“ Dass es jedoch im Alter mit den Jobs schwieriger werden könnte und ein sicheres Einkommen auch kein schlechtes Fundament wäre – „zu dieser Erkenntnis bin ich jetzt auch gekommen.“
Zweimal die elfte Klasse abgebrochen
Aufgewachsen auf der beschaulichen Margarethenhöhe, der Vater selbstständiger Dachdecker, war Michael Lartz in der Schule kein schlechter Schüler. „Ich habe die Fachoberschule zufriedenstellend abgeschlossen und wollte eigentlich anschließend noch mein Abi machen.“ Aber dann bekam er, wie er sagt, Flausen im Kopf, schmiss zweimal die elfte Klasse und auch auf dem Nixdorf-Berufskolleg blieb er nur ein Jahr. „Die technische Ausbildung im ersten Jahr hat mich total interessiert, die zwei Tage Schule in der Woche weniger.“ Für die zwölfte Klasse waren die Noten zu schlecht.
Mit 21 Jahren jobbte er tagsüber in einem BMX-Geschäft als Verkäufer, abends konnte er in der Skate-Halle nebenan sein BMX-Hobby ausleben. „Ich war damals total auf den Sport fixiert“. Die berufliche Zukunft blieb da außen vor. Doch als die Förderung vom Arbeitsamt für seinen Verkaufsjob auslief, stand er wieder auf der Straße.
Erst nur Vorwürfe im Jobcenter
Zwischenzeitlich arbeitete er als Dachdeckergehilfe, war über eine Zeitarbeitsfirma in einer Druckerei angestellt – aber alles immer nur auf Zeit. Als schließlich auch eine Existenzgründung mit einem BMX-Geschäft scheiterte, „bin ich erstmal in ein Loch gefallen“.
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Wieder saß er beim Jobcenter. „Und die Frau dort hat mir nur Vorwürfe gemacht. Die hatte nur Forderungen, aber wenige Angebote“, sagt Michael Lartz. Der Wendepunkt kam erst, als seine Arbeitsvermittlerin wechselte. Sie machte ihm das Angebot, einen Ein-Euro-Job in der Fahrrad-Werkstatt der Neuen Arbeit anzunehmen. Das passte perfekt zu seinem Fahrrad-Hobby. Dort bekam er schnell mehr Verantwortung, wechselte von der einfachen Aufbereitung in den Werkstattbereich. Seine Arbeitsstelle wurde zuletzt für zwei Jahre vom Land und der EU bezuschusst. Als diese Förderung nun auslief, stand Michael Lartz vor der Entscheidung: Entweder die Werkstatt verlassen und wieder von Hartz IV leben oder eine Ausbildung beginnen und bleiben. „Ich bin in ein gutes Team gekommen, da lag mir der Gedanke zu gehen, am entferntesten.“
Wenn am 1. September die Berufsschule in Duisburg beginnt, dann wird Michael Lartz wohl der älteste der Klasse und mancher Mitschüler nur halb so alt wie er sein. Auch sein Lehrgeld wird niedriger sein als das Arbeitslosengeld, was er bislang bekommt. Das alles schreckt ihn nicht. „Wichtig ist, dass ich in meinem Leben zum ersten Mal eine Perspektive habe. Denn die hat mir immer gefehlt.“