Essen. . Die Leiter von Essener Gymnasien begrüßen vorsichtig den Plan der Regierung, zur verlängerten Schulzeit zurückzukehren. Es gibt jedoch Bedenken.

  • Als eine von 13 Gymnasien in NRW kehrte auch das Essener „Gymnasium Borbeck“ schon 2010 zurück zu G9
  • Dort hat man die Entscheidung „nie bereut“, heißt es – was sich nicht nur an den Anmeldezahlen ablesen lasse
  • Entscheidend sei jedoch grundsätzlich, dass wirklich ein deutlicher Unterschied von „G8“ zu „G9“ spürbar werde

Essens Gymnasial-Leiter reagieren überwiegend positiv auf die Ankündigung der künftigen NRW-Regierung, an den Gymnasien zum Abi nach 13 Jahren („G9“) zurückzukehren. Allerdings sind die Reaktionen sehr verhalten. Es sei zu früh, den Vorstoß fundiert zu bewerten, heißt es überall.

Grundsätzlich bestätigt fühlt man sich am Gymnasium Borbeck – einer von nur 13 Schulen in NRW, die 2010 die Möglichkeit nutzten, vom „Turbo-Abi“ abzukehren. Dieses war 2005 eingeführt worden. „Die erneute Wende war ein Riesen-Aufwand, aber sie hat sich gelohnt“, berichtet Dorothee Schäfer, die stellvertretende Schulleiterin am „GymBo“. „Wir haben diesen Entschluss nie bereut.“ Nach der Umstellung konnte das „GymBo“ stetig wachsende Anmeldezahlen verzeichnen; „doch was kaum Erwähnung findet“, sagt Schäfer, „ist, dass auch Lehrer seitdem zufriedener sind – einfach, weil wir mehr Zeit und Ruhe zum Arbeiten haben.“ Sorge, dass das „GymBo“ künftig sein Alleinstellungsmerkmal verliert, hat Dorothee Schäfer nicht: „Dass wir gute Arbeit leisten, spricht sich herum.“

Auch Lehrer seien zufriedener seit der Rückkehr zu G9

Nebenan, am Mädchengymnasium Borbeck (MGB), hat man festgestellt, dass viele Schülerinnen eine längere Schulzeit befürworten: „Wir haben im Frühjahr interne Umfragen gemacht – der Wunsch nach ,G9’ zählte zu den eindeutigen Ergebnissen“, berichtet Leiterin Jutta Reimann.

Wegen der Folgen der Schulzeitverkürzung richtete man in Rüttenscheid am Maria-Wächtler-Gymnasium 2009 den Ganztagsbetrieb ein: „Diesen würden wir sicher aufrecht erhalten, auch wenn jetzt erst mal offen wäre, in welcher Form das geschehen wird – ob offen oder gebunden“, sagt Schulleiter Thorsten Korthaus. Dass es sinnvoll wäre, künftig per Ausnahme-Antrag bei „G8“ zu bleiben, glaubt Korthaus weniger. „Ich finde richtig, dass die Regierung die Richtung vorgibt und nicht den Schulen die Wahl überlässt. Das führt zu noch mehr Unruhe.“

Auch Gabriele von Heymann wandelte ihre Schule, das Gymnasium Überruhr, 2010 in eine Ganztagsschule um und führte zuletzt die „Dalton“-Pädagogik ein, in der es mehr eigenverantwortliches Arbeiten gibt – alles Antworten auf „G8“. „Wir werden alle Möglichkeiten sehr ernsthaft diskutieren“, kündigte sie an, wobei sie die Möglichkeit, bei „G8“ zu bleiben, ausdrücklich mit einschloss.

Zweite Fremdsprache muss wieder in Klasse 7 starten

Berthold Urch, Sprecher der Gymnasialleiter und Chef am Krupp-Gymnasium in Frohnhausen, gibt zu bedenken, dass sich eine erneute Kehrtwende nur lohnt, wenn „G9“ künftig wirklich anders als „G8“ wird: „Zum Beispiel muss dann die zweite Fremdsprache auch tatsächlich erst wieder in Klasse sieben beginnen.“ Das ist zum Beispiel bei „G9 neu“ wie in Borbeck nicht der Fall. Anders würde sich die erneute Investition in den Wandel kaum bezahlt machen. „Schließlich haben wir längst die Lehrpläne und Bücher umgestellt.“

Sowohl für „G8“ als auch „G9“ habe es immer gute Argumente gegeben, findet Felicitas Schönau, die Leiterin des Gymnasiums in Werden. Als Deutschlehrerin vermisse sie jedoch in den letzten Jahren die Arbeit mit einer Stufe 13: „Das eine, letzte Jahr macht sehr viel aus in der persönlichen Entwicklung der Schüler.“ Die G8-Jahrgänge, hat die Schulleiterin festgestellt, hätten sich das eingesparte Jahr sowieso später zurückgeholt: „Nie gab es so viel Auslandsaufenthalte und Sozialpraktika nach der Schule wie seit G8.“

>> Für G9 wird mehr Platz an Schulen benötigt

Die Rückkehr zur längeren Schulzeit wird die Stadt vor erhebliche Raum-Probleme stellen. Denn die steigende Anzahl von Schülern sowie der Unterricht für Seiteneinsteiger konnte bislang nur ohne weitere Gymnasial-Neubauten bewältigt werden, weil bislang in den bestehenden Gymnasien genug Platz ist. Darauf wies Schul-Dezernent Peter Renzel am Rande einer Veranstaltung hin.

Der Schulträger müsse jedoch jetzt erst Gesetze abwarten.