Die NRW-Landesregierung ist auch wegen der Schulpolitik abgestraft worden. Aber selbst G 9-Verfechter warnen vor übereilter Abkehr vom Turbo-Abi.

In Deutschland gibt es 80 Millionen Fußball-Bundestrainer und manchmal auch 80 Millionen Schulexperten. Letzteres liegt in der Natur unserer Biografie. Weil jeder selbst Schüler war und lange genug die Schulbank gedrückt hat, stellt sich bei vielen automatisch das Gefühl ein, sich in Schuldingen bestens auszukennen. Hinzu kommt der Eifer der direkt Beteiligten: Eltern, die nur das Beste für ihren Nachwuchs wollen; Lehrer, die sich nicht selten als Opfer eines überforderten Systems sehen; Schüler, die ein Recht auf Mitsprache fordern.

Beim Thema Schule mischt also irgendwie jeder mit. Und ist die Unzufriedenheit erst einmal da, wächst sie sich schnell zum millionenstimmigen Meinungschor aus. Für Politiker ist das ein gefundenes Fressen. Denn die Erfahrung zeigt: Mit Bildungspolitik lassen sich Wahlen gewinnen. Gerade erst wurde die rot-grüne NRW-Landesregierung auch wegen ihrer unentschlossenen Schulpolitik vom Wähler abgestraft. Bittere Ironie: Dass SPD und Grüne die verkürzte Gymnasialzeit mitsamt ihren Webfehlern als Erblast von der schwarz-gelben Vorgängerregierung übernommen und sich um des lieben Schulfriedens willen in Sachen G 8 vom Bock zum Gärtner gemacht hatten, fiel dabei unter den Tisch.

Dass ausgerechnet Schulen immer wieder zu Spielbällen kurzlebiger Tagespolitik werden, ist ein Drama. Schule braucht Ruhe und Beständigkeit. Das sagen Schulpraktiker und Bildungsforscher gleichermaßen. Nicht von Ungefähr warnen selbst einst glühende G 9-Verfechter jetzt vor einer übereilten Abkehr vom Turbo-Abi. Der deutsche Schul-Wirrwarr liegt freilich auch am System. Schulpolitik ist Ländersache. Die 16 Bundesländer agieren im Bildungsbereich fast wie souveräne Staaten. Sicher: Der Bildungsförderalismus ist eine heilige Kuh, die man nicht unbedenklich schlachten kann. Eine Art bildungspolitischer Bundestrainer würde unseren Schulen aber dennoch gut tun.