Essen. . Essen will Fahrverbote vermeiden und setzt auf eine Lösung der Autoindustrie. Das sagte Dezernentin Simone Raskob beim Forum „Essen kontrovers“.

Umweltdezernentin Simone Raskob hat sich erneut gegen Fahrverbote in Essen ausgesprochen. Bei der Podiumsdiskussion „Dicke Luft in der Grünen Hauptstadt“ der NRZ und der Volkshochschule im VHS-Haus am Burgplatz mit mehr als hundert Besuchern wies sie aber darauf hin, dass die Stadt möglicherweise dazu gezwungen wird, sobald eine rechtliche Grundlage – etwa mit der „Blauen Plakette“ geschaffen worden ist.

Sie forderte die Automobilindustrie auf, für „schnelle Lösungen“ bei der Abgastechnik zu sorgen, mit der die Grenzwerte für Stickoxide eingehalten werden. Aktuelle Meldungen, wonach dies bei Neumodellen bereits mit einem Software-Update möglich sei und eine Nachrüst-Technik schon für 300 bis 800 Euro angeboten werden könne, kommentierte Raskob mit den Worten: „Dafür wären wir dankbar. Dann brauchen wir keine Fahrverbote“. Und fügte kritisch hinzu. „Ich glaub das erst, wenn das umgesetzt ist.“

Dass Essen beim jüngsten Städte-Ranking zur nachhaltigen Mobilität von Greenpeace auf den drittletzten Platz gelandet ist, sieht die Beigeordnete als Herausforderung und hält am Ziel fest, dass bis 2035 der Anteil des Autoverkehrs von 54 auf 25 Prozent sinkt und dafür der Anteil der Radfahrer, Bahn- und Bus-Kunden sowie der Fußgänger auf jeweils 25 Prozent steigt. 70 Prozent aller zurückgelegten Wege in Essen seien kürzer als fünf Kilometer. „Das kann man zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem ÖPNV machen“, so die Dezernentin. „Man muss es selbst ausprobiert haben und daran glauben, dass es geht.“

Busse und Bahnen sind in Essen oft überfüllt

Geht es wirklich? Zuhörer berichten von ihren täglichen Problemen im Straßenverkehr. „Ich versuche mit dem Fahrrad auf der Steeler Straße zu fahren, aber ich habe immer Angst“, klagt eine Essenerin. Georg Nesselhauf, der für den Runden Umwelt-Tisch Essen (Rute) auf dem Podium sitzt, wirft der Stadt und Politik vor, sie tue zu wenig. Dabei sollte gerade die „Grüne Hauptstadt“ vorbildhaft vorgehen und die Speerspitze bilden. Stattdessen würden Radler auf Hauptverkehrsstraßen an den Rand gedrängt, und Busse und Bahnen seien in der Rush Hour überfüllt. „Da können Schüler nicht an der Haltestelle aussteigen, weil die Bahn zu voll ist. Sie müssen bis zum Hauptbahnhof weiterfahren“, berichtet Nesselhauf von den Erzählungen Essener Schüler bei einem Workshop.

Auch fragt er sich, wie die Stadt es schaffen will, in nicht mal 20 Jahren fünf Mal so viele Radfahrer auf die Straße zu bringen. Das werde nur funktionieren, wenn die Politik schon jetzt umschwenkt. „Wir müssen die Straßen neu aufteilen.“ Und mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger schaffen. „Jede Straße, die geplant wird, sollte bereits darauf ausgerichtet werden“, so Nesselhauf, der für Essen einen „Masterplan Mobilität“ fordert. Eine Verhaltensänderung bei den Verkehrsteilnehmern erreiche man nur, „wenn man Anreize schafft.“

Mehr Geld in den Nahverkehr investieren

Anreize erhofft sich Raskob bald für Bahn und Bus. Eine entscheidende Rolle spiele hier der Nahverkehrsplan, der im Sommer beraten wird. Die Politik werde dann für die nächsten fünf Jahre festlegen, wieviel Geld sie zusätzlich in den Linienverkehr der Evag steckt.

Janine Laupenmühlen, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, kann die Kritik an den Zuständen im Nahverkehr nachvollziehen („Wir sollten da ein Stück weiter sein“), führt diese aber auch auf die finanzielle Situation der Stadt zurück. Zudem hätten viele Pendler nicht die Zeit und Möglichkeit, aufs Rad umzusteigen. Für die Ratsfrau ist es wichtig, dass für Barrierefreiheit im Bahn- und Busverkehr gesorgt wird, damit ältere und gehbehinderte Menschen weiter mobil sein können. Und wenn dann die Busse noch elektrisch fahren, um so besser.