Essen. Helfer sollen von Notfällen in ihrer Nähe erfahren. Dies kündigte die Behörde bei der Vorstellung ihrer Jahresbilanz an. Wieder mehr Einsätze.

  • Im Ernstfall könnten qualifizierte Helfer schneller vor Ort sein als der Rettungsdienst
  • Nur müssen Ärzte, Krankenschwestern oder Sanitäter von Notfällen in ihrer Nähe erfahren
  • Das soll noch in diesem Jahr eine App leisten, die von einem Mediziner entwickelt worden ist

Wenn das Herz schlapp macht oder das Bewusstsein schwindet, ist nach spätestens acht Minuten ein Rettungsdienst zur Stelle. Doch überlebenswichtige Hilfe könnte viel schneller eintreffen, wenn Ärzte, Sanitäter oder ähnlich qualifizierte Bürger von den medizinischen Notfällen in ihrer Nachbarschaft wüssten. Deshalb will die Essener Feuerwehr künftig über ihre Leitstelle mit Hilfe der Smartphone-App „Mobile Retter“ freiwillige Kräfte alarmieren, die wirksam Erste Hilfe leisten können, bevor der reguläre Rettungsdienst eintrifft.

Dies kündigte Feuerwehr-Chef Ulrich Bogdahn am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz seiner Behörde an: „Das rettet Leben.“ Noch in diesem Jahr, so Bogdahn, wolle man sich das von einem Mediziner entwickelte und von einem gemeinnützigen Verein angebotene Programm zunutze machen, das potenzielle Ersthelfer in unmittelbarer Nähe eines Notfalls aufspüren und alarmieren kann.

Leitstelle schickt Koordinaten aufs Handy

„Die Leitstelle der Feuerwehr schickt den Ersthelfern dafür die Koordinaten eines Einsatzes aufs Handy“, erklärt Bogdahn. Essener mit entsprechender Qualifikation können sich zu diesem Zweck registrieren lassen. Die Feuerwehr plant bereits Schulungen in ihren Räumen für die potenzielle Teilnehmer des neuen handybasierten Hilfenetzes.

Der reguläre Rettungsdienst der Feuerwehr bliebe davon unberührt, betonte Bogdahn – auch wenn er dringend Entlastung gebrauchen könnte: Die Rettungswagen mussten im vergangenen Jahr noch häufiger ausrücken als in den zwölf Monaten zuvor. Die Zahl der Krankentransporte und Notfallrettungen, die inzwischen 92 Prozent aller Feuerwehr-Einsätze ausmachen, ist um 4866 auf insgesamt 138 696 gestiegen. Das entspricht einer Zunahme um knapp vier Prozentpunkte.

Die Feuerwehr registriert seit Jahren steigende Zahlen

Die Feuerwehr registriert seit Jahren diese steigende Tendenz. „Wir wissen nicht, wohin das noch führt“, sagt Bogdahn – zumal der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung kontinuierlich steige.

Zum einen sind die häufigeren Kranken- und vor allem Intensivtransporte mit einer Zunahme um knapp zwölf Prozent natürlich dadurch zu erklären, dass immer spezialisiertere Kliniken über weniger Fachabteilungen im eigenen Haus verfügen und die Patienten hin und her transportiert werden müssen.

Zunehmende Unselbstständigkeit der Bürger

Zum anderen macht sich nach Einschätzung des Feuerwehr-Chefs ein immer stärkeres Anspruchsdenken und eine zunehmende Unselbstständigkeit in der Bevölkerung breit: Bekommen Patienten nach ihrer Meinung nicht schnell genug einen Termin beim Arzt, rufen sie außerhalb der Sprechstunden die 112 an und schildern einen Notfall. Der Mitarbeiter auf der Leitstelle hat dann nicht einmal zwei Minuten Zeit, um den tatsächlichen gesundheitlichen Zustand zu ergründen. Im Zweifelsfall wird also der Rettungswagen losgeschickt.

Bis zu jeder dritte der Einsätze, schätzt Bogdahn, wäre nicht notwendig gewesen: „In den Köpfen der Menschen muss sich was ändern.“ Gehe die Entwicklung so weiter, benötige die Feuerwehr jedes Jahr einen zusätzlichen Rettungswagen samt Personal. Das Fahrzeug wird zwar von den Krankenkassen refinanziert. Anschaffungskosten fallen aber dennoch an.

Unterm Strich standen im vergangenen Jahr 27,5 Millionen Euro Einnahmen aus dem Rettungsdienst bei einem Feuerwehr-Gesamtbudget von 90 Millionen Euro, von denen 69 Millionen auf die Personalkosten entfielen.

>>FÜNF MENSCHEN STARBEN BEI BRÄNDEN

Fünf Menschen verloren im vergangenen Jahr bei Bränden ihr Leben. Alle waren älter als 72 Jahre. In diesem Jahr war noch kein Brandtoter zu beklagen.

150 628 Einsätze fuhr die Essener Feuerwehr im vergangenen Jahr. Das waren 6303 mehr als 2015, rund 412 pro Tag oder alle dreieinhalb Minuten ein Einsatz.

138 Menschen konnten aus lebensgefährlichen Situationen gerettet werden.

1331 Kleinbrände löschte die Wehr. Ihre Zahl ist um 175 Fälle gestiegen. Was für den Behörden-Chef ein Beleg für die Qualität der Feuerwehr-Arbeit ist: Wäre man weniger effektiv, hätte es mehr als die 258 größeren Feuer gegeben.