Essen. . Die Frage, wer Udo Bayer beim EBB folgt, ist von Vorwürfen begleitet, durch die ein Kandidat sich bloßgestellt sah. Auch Bayers Finanzen Thema.

Wechselseitiges Schlechtmachen, E-Mails mit mühsam versteckten Drohungen, „Klärungsgespräche“, die Teilnehmern eher wie Tribunale vorkommen: Beim Essener Bürgerbündnis wurde in den letzten Wochen mit mindestens so harten Bandagen gekämpft wie in jenen Parteien, aus denen die ersten Mitglieder Anfang der 2000er Jahre einst frustriert flüchteten. Wenn „bürgerlich“ die Einhaltung gewisser Umgangsformen bedeutet, macht das EBB seinem Namen derzeit nicht die allergrößte Ehre. „Wenn der König plötzlich abdankt, entstehen Diadochenkämpfe, das war zu allen Zeiten so“, sagt einer, der das Bürgerbündnis gut kennt.

Der König - damit ist natürlich Udo Bayer gemeint, seit vielen Jahren wortgewaltiger Vorsitzender der EBB-Ratsfraktion und Herrscher über alle Bündnis-Bürger. Der 70-Jährige hatte im März überraschend mitgeteilt, zum 1. Mai die Führung des EBB niederzulegen. Bayers Gegner werteten diesen, mit niemandem abgesprochenen Schritt als weiteren Beleg für die „Udokratie“, wie sie sein Regiment zynisch nennen. „Alles Unsinn“, sagt Bayer, der behauptet, „immer alle mitnehmen“ zu wollen.

Festzuhalten ist aber, dass nicht immer alle ankommen. Am Montag Abend blieb als vorerst Letzter Bayers langjähriger Weggefährte und Vize-Chef der Ratsfraktion, Karlgeorg Krüger, auf der Strecke. Der Radiologe mit Großpraxis in Kupferdreh gab das Rennen um Bayers Nachfolge auf, weil er das Gefühl bekam, dass Bayer und seine Freunde ihn systematisch fertig machen wollten.

Brustkrebsskandal von 2014 sollte Thema bei interner Aussprache sein

So sollte am Montag im Fraktionsvorstand unter anderem über den so genannten Brustkrebsskandal aus dem Jahr 2014 geredet werden, in den Krüger verwickelt war, aber offiziell mit weißer Weste wieder herauskam. Auch zu seiner Insolvenz ein Jahr später, die auf ein verfehltes privates Investment zurückgeht, sollte sich Krüger erklären.

Krüger verweigerte sich, warf den Bettel hin und fand harte Worte: „Ich kam mir vor, als wäre ich in einer stalinistischen Kaderpartei zur Selbstkritik einbestellt. Aber nicht mit mir.“ Ob er das EBB ganz verlässt, ist offen. Profitieren wird vom Eklat Bayers Schützling und Favorit, der Karnaper Ratsherr Michael Schwamborn, der nun ohne Gegenkandidat als neuer Vorsitzender der EBB-Ratsfraktion nominiert ist.

Schwamborn verteidigte die Absicht, alte Geschichten aufzuwärmen. „Das EBB hätte bei der Ratswahl 2014 viel mehr Stimmen bekommen können, wenn der Brustkrebsskandal nicht gewesen wäre“, glaubt er. Krüger habe das Bürgerbündnis mehrfach wegen seiner beruflich-privaten Probleme in die Negativ-Schlagzeilen gebracht, da sei es legitim, ihm auf den Zahn zu fühlen, wenn er Fraktionschef werden wolle. „Ich war empört, dass er diese Diskussion verweigerte.“ Auch Udo Bayer schoss gestern noch einmal scharf. Krüger sei spürbar nach rechts gerückt, was ihn politisch disqualifiziere. Zudem mangele es ihm an der nötigen Zeit, denn: „Er kam schon bisher zu fast jeder Sitzung zu spät.“

Bayer spielte entgegen seiner Ankündigung eine aktive Rolle bei Nachfolge-Frage

Entgegen seiner Ankündigung vom März, sich aus der Nachfolgefrage herauszuhalten („Das soll ohne mich geklärt werden“), spielte Bayer in den letzten Wochen weiter eine höchst aktive Rolle im Intrigantenstadel EBB. Und auch sonst hat sein angekündigter Rückzug einige Lücken. Bayer bestätigte, er werde zumindest zwei Mandate behalten, wobei es Zufall sein mag, dass diese besonders lukrativ sind.

So will Bayer weiter der Verbandsversammlung des Landschaftsverbands Rheinland angehören, wo er neben den Sitzungsgeldern von monatlich im Schnitt 600 Euro auch mit seiner eigenen „Fraktion der Freien Wähler“ einen Beratervertrag unterhält, der ihm monatlich weitere 1200 Euro bringt. Auch im Aufsichtsrat der Sparkasse will Bayer Mitglied bleiben – „vorerst“, wie er ohne weitere Begründung erklärte. Mit im Schnitt rund 550 Euro pro Monat gilt das Mandat bei der Sparkasse unter den kommunalen Aufsichtsräten als sehr großzügig dotiert.

Als ehrenamtlicher Politiker hat Bayer beträchtliche Einnahmen aus der Politik

Überhaupt erinnern in diesen Tagen einige daran, dass Udo Bayer unter den 90 Ratsmitgliedern der Stadt Essen finanziell äußerst komfortabel aufgestellt war und noch ist. Denn zu den beiden erwähnten Einkünften kommt noch einiges mehr, etwa Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder für das Ratsmandat (ca. 650 Euro pro Monat) und zusätzliche Aufwandsentschädigung für die Funktion als Fraktionschef (ca. 1150 Euro monatlich).

Kleinere Beträge fließen Bayer durch die Mitgliedschaft in der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr (rund 240 Euro pro Monat), dem Aufsichtsrat der Messe Essen (ca. 180 Euro pro Monat) und dem Aufsichtsrat des Allbau (ca. 130 Euro pro Monat) zu. Lange war er zudem als Fraktionsgeschäftsführer in seiner eigenen EBB-Fraktion angestellt, was ihm – konservativ geschätzt – zwischen 1000 und 1500 Euro pro Monat oben drauf einbrachte.

Von seinem Intimfeind Krüger erhielt der EBB-Chef über Jahre 800 Euro pro Monat

Aus der Tätigkeit als „ehrenamtlicher“ Kommunalpolitiker erwuchs Udo Bayer somit viele Jahre ein Bruttomonatseinkommen, das sich je nach Zahl der Sitzungen irgendwo zwischen 5700 und 6200 Euro eingependelt haben dürfte. All das zusätzlich zu seiner ordentlichen Pension als früherer Schuldezernent (Besoldungsgruppe B7).

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Bayer von seinem jetzigen Intimfeind Karlgeorg Krüger über einige Jahre einen monatlichen Zuschuss von 800 Euro aus dessen Privatschatulle erhielt. „Mir hat imponiert, wie Bayer sich für das EBB einsetzte und aufopferte“, so Krüger. Allerdings sei ihm damals die Höhe von Bayers Gesamteinkünften nicht klar gewesen.

Wohlgemerkt: An all dem ist, soweit bekannt, nichts Illegales. Doch dürfte es kein Zufall sein, dass die schon früher geführte Diskussion um Bayers Finanzen gerade jetzt wieder aufploppt. Künftigen EBB-Fraktionschefs wird es übrigens finanziell nicht ganz so gut ergehen.

Michael Schwamborn will politische Richtung des EBB beibehalten

Mittlerweile hat die EBB-Fraktionsgeschäftsstelle mit Peter Dieck einen angestellten Geschäftsführer, der nicht gleichzeitig im Rat sitzt. Michael Schwamborn, der bislang nebenberuflich im Fraktionsbüro arbeitete, will diese bezahlte Stelle aufgeben, sobald er zum Fraktionschef gewählt ist. Dafür gibt es dann – siehe oben – ja auch wiederum eine deutlich erhöhte Aufwandsentschädigung.

Der 55-jährige frühere RAG-Angestellte Schwamborn befindet sich im Vorruhestand und verfügt daher zweifelsfrei über mehr freie Zeit für die Politik als der 64-jährige Arzt Karlgeorg Krüger. Politisch werde sich an der Ausrichtung des EBB unter seiner Ägide übrigens nichts ändern, sagt Schwamborn. „Wir vom EBB verstehen uns weiterhin als eine bürgerliche Kraft in der Mitte des Gesellschaft.“