Essen. Udo Bayer, Fraktionschef und Übervater des Essener Bürgerbündnisses, will zu seinem 70. Geburtstag im April aufhören. Gesundheitliche Gründe.
Zäsur beim Essener Bürgerbündnis (EBB): Udo Bayer, seit vielen Jahren Fraktionsvorsitzender des EBB und ein Urgestein der Essener Kommunalpolitik, wird in einigen Wochen den Vorsitz der EBB-Ratsfraktion niederlegen und gleichzeitig aus dem Rat der Stadt Essen ausscheiden. Das teilte Bayer am Montag Abend der erweiterten EBB-Fraktion mit.
„Ich werde am 21. April 70 Jahre alt, das ist ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören“, so Bayer. Gesundheitliche Gründe spielten bei dieser Entscheidung eine wesentliche Rolle. Die Ärzte hätten ihm dringend geraten, kürzerzutreten. „Natürlich fällt mir der Abschied aus der Kommunalpolitik nach so vielen Jahren schwer“, räumt Bayer ein.
Im Streit mit dem damaligen Fraktionschef Willi Nowack die SPD verlassen
Der frühere Sozialdemokrat ist seit 1970 in der Kommunalpolitik aktiv und damit eines der dienstältesten und gewiss auch profiliertesten Mitglieder des Rates. In Karnap aufgewachsen, trat er im Alter von 23 Jahren der SPD bei. Sein politisches Talent blieb nicht unentdeckt, 1979 wurde er erstmals in den Rat der Stadt gewählt. Der Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte wurde zehn Jahre später Schul- und Kulturdezernent, bevor er im Jahr 2000 die SPD im Streit mit dem damaligen Fraktionschef Willi Nowack verließ.
Die Gründung der kommunalen Bürgerpartei EBB war eine Folge dieses internen Zerwürfnisses, das die SPD erschütterte. Der leidenschaftliche Kommunalpolitiker Bayer empfand seinen Schwenk irgendwann aber auch politisch als naheliegend. Der Sohn eines Drehers war nie ein Linker, erst recht kein „68er“, wie viele seiner studentischen Altersgenossen an der Universität. Vielmehr verstand er sich als Sozialdemokrat mit sozialliberaler Grundhaltung und durchaus konservativen Anteilen.
Mehr Zeit mit der Familie: „Lebenszeit ist begrenzt und kostbar“
Die durch und durch unsolide Essener Finanzpolitik und der Kampf gegen die städtischen Schulden war beim EBB dann Bayers besonderes Metier. Hier erwarb er sich Anerkennung über Parteigrenzen hinweg, seine Haushaltsreden im Rat dürfen als wortgewaltige Höhepunkte gelten. Der nach vielen Schmerzen geschaffte Haushaltsausgleich – bei allerdings weiterhin hohen Altschulden – war auch Bayers Verdienst. „Es mag hochtrabend klingen, aber ich halte das für eine Art Vermächtnis.“
Der nun fast 70-Jährige hatte schon 2014 betont, dass er für eine volle Ratsperiode nicht zur Verfügung stehen werde, zumal die laufende Periode wegen der terminlichen Neu-Harmonisierung mit der OB-Wahl bis 2020 und damit sechseinhalb Jahre dauert. Ursprünglich wollte Bayer aber noch ein, zwei Jahre mit dem Rückzug warten. Nun kam es schneller als geplant. „Lebenszeit ist begrenzt und kostbar“, sagt der Vater eines Sohnes und Großvater zweier sechs und drei Jahre alter Enkelkinder. Es sei „der dringende Wunsch“ der Familie gewesen, dass er kürzertrete.
Kritik an seinem Führungsstil weist Bayer zurück: „Habe immer versucht, alle mitzunehmen“
Politisch sieht Bayer das Bürgerbündnis in guter Verfassung. Das EBB sei etabliert und inhaltlich gut aufgestellt und mit über 120 Mitgliedern die mitgliederstärkste kommunale Wählervereinigung in NRW. Mit rund 4,5 Prozent der Stimmen bei den Wahlen 2004, 2009 und 2014 habe das EBB unter den Bürgerparteien in den deutschen Großstädten über 500 000 Einwohnern die drittbeste Prozentzahl erzielt. Nur in Stuttgart und Dresden seien Wählervereinigungen noch erfolgreicher.
Bayer weiß aber auch: „Es gibt gewiss Luft nach oben.“ So hatte das EBB bei der Ratswahl 2014 mit deutlich mehr Stimmen gerechnet, doch nicht zuletzt das Aufkommen der damals noch etwas anders positionierten AfD verhinderte dies.
Die Kritik an seinem Führungsstil – scherzhaft spricht mancher von „Udokratie“ – hält Bayer für ungerecht. „Natürlich muss ich straff führen. Dennoch behaupte ich, dass es bei uns mehr Partizipation gibt als in anderen Ratsfraktionen.“ Sein Ziel sei gewesen, stets alle EBB-Aktiven mitzunehmen.
Als Nachfolger kommen die Ratsherr Krüger, Schwamborn und Backes in Frage
Für den künftigen Vorsitz des EBB dürften die Ratsherren Karlgeorg Krüger, Michael Schwamborn, eventuell auch Jochen Backes in Frage kommen. „Das soll ohne mich geklärt werden, in einem geordneten Prozess“, so Bayer. Die möglichen Nachfolger kommen aus ganz unterschiedlichen beruflichen Zusammenhängen. Krüger ist Arzt mit eigener Radiologie-Praxis, Schwamborn ist Bergbau-Angestellter in Rente und Backes Jurist. Letzterer stieß von der AfD, die ihm zu radikal wurde, zum EBB.
Als Bayer am Montag seinen Entschluss der 35-köpfigen EBB-Fraktionsversammlung und dem EBB-Vorstand mitteilte, soll die Nachricht dort mit Beklommenheit aufgenommen worden sein. Teilnehmer berichten, es seien sogar Tränen geflossen. EBB-Vorsitzende Brigitte Wawrowsky bedauerte seinen Rückzug: „Leider konnten wir ihn nicht umstimmen. Sein Mandatsverzicht wiegt für uns schwer.“ Tatsächlich dürfte es nicht einfach werden, einen Vollblutpolitiker mit so beachtlichen rhetorischen Gaben wie Udo Bayer zu ersetzen.
Bei der Erklärung in der Fraktion sollen Tränen geflossen sein
Bei der Versammlung am vergangenen Montag , als Bayer seinen Entschluss der 35-köpfigen EBB-Fraktionsversammlung und dem Vorstand des Essener Bürgerbündnisses mitteilte, ist Bayers Schritt mit Beklommenheit aufgenommen worden. Teilnehmer berichten, es seien sogar Tränen geflossen. EBB-Vorsitzende Brigitte Wawrowsky fasste die Auffassung der EBB-Gremien mit folgenden Worten zusammen: „Wir respektieren natürlich Udo Bayers Schritt. Leider konnten wir ihn nicht umstimmen. Sein Mandatsverzicht wiegt für uns schwer. Für seine unbestreitbaren politischen Leistungen bleibt das EBB Udo Bayer zu großem Dank verpflichtet.“