Essen. . Sylvia Löhrmann erklärt Berichte für unrichtig, wonach ihr Ministerium lange vom Reichsbürger im Schuldienst wusste. FDP und Linke empört das.

Der Fall eines Lehrers am Berufskolleg West, der über Jahre im Unterricht die Ideologie der „Reichsbürger“ vertreten hat, ist für die Landesregierung noch nicht ausgestanden. Das zumindest glaubt der Essener FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel, der dem Schulministerium und der Bezirksregierung als Schulaufsicht vorwirft, nicht frühzeitig genug auf Hinweise der Schule reagiert zu haben.

Aussage der Ministerin Löhrmann erbost FDP-Politiker

Ludger W. ist seit Anfang März vom Unterricht suspendiert. Dies geschah allerdings nicht auf Basis der Berichte der Schulleitung, sondern erst, nachdem diese Zeitung die Irrwege des Pädagogen öffentlich gemacht hatte. Erst danach wurde W. auch aus einem landesweiten Qualifizierungsprogramm namens „Komet NRW“ entfernt, wo er als Mitglied einer Arbeitsgruppe fungierte.

W. hatte seinen Schülern laut Zeugen vermittelt, es gebe keinen deutschen Staat, den Anordnungen von Polizisten müsse daher nicht Folge geleistet, Strafmandate nicht bezahlt werden und ähnlicher Unfug mehr.

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Verwundert bis verärgert war Witzel von Anfang darüber, dass die mehrfachen Interventionen und Berichte der Schulleitung an die Schulaufsicht dort keinerlei erkennbare Aktivität nach sich gezogen hatten.

Geradezu erbost ist Witzel aber über die Aussage von Schulministerin Sylvia Löhrmann in einer Fragestunde des Landtags. Die Grünen-Politikerin hatte die Berichte über die zögerliche oder sogar fehlende Reaktion der Schulaufsicht in Zweifel gezogen. Dies, so sagte sie, entspreche nicht den ihr vorliegenden Informationen.

Schulleitung meldete Ministerium Schüler-Beschwerden

Georg Greshake, Leiter des Berufskollegs West, erklärte am Donnerstag auf Anfrage, er sei nicht auskunftsberechtigt gegenüber Medien.

Sowohl Witzel als auch dieser Zeitung ist aber bekannt, dass sehr wohl die Hinweise von Schülern über die Schulleitung mehrfach ihren Weg nach Düsseldorf fanden. Warum die Landesregierung und die ihr unterstehenden Behörden nicht zugeben wollen, lange Zeit den Fall nicht ernst genommen zu haben, kann sich Witzel nur mit dem laufenden Landtagswahlkampf erklären. „Aus meiner Sicht liegt hier ein krasser Fall von behördlichem und politischem Versagen vor.“

Ministerin will Reichsbürger wohl aus öffentlichem Dienst entfernen

Witzel zufolge fehlt bis heute eine detaillierte Dokumentation, wer zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen in dieser Angelegenheit gehandelt hat – oder eben nicht gehandelt hat.

Immerhin lassen sich allgemeine Äußerungen der Schulministerin so interpretieren, dass W. nach der vorläufigen Suspendierung möglichst auch aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden soll. „Nicht nur mein Ziel, sondern Ziel der gesamten Landesregierung ist es, solche Personen aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen“, ließ Löhrmann in der Fragestunde wissen. Zurzeit läuft dazu offenbar eine Prüfung.

Linke: „ein völliges Behördenversagen“

Härter noch als die FDP gehen die Linken mit der Grünen-Politikerin ins Gericht. Aktivitäten und Existenz der „Reichsbürgerbewegung“ seien bereits seit Jahrzehnten bekannt. Wenn Löhrmann nun so tue, als habe man die Aussagen des Lehrers nicht früher einordnen können, offenbare dies „ein völliges Behördenversagen“. Spätestens seit 2013 seien am Berufskolleg West die Umtriebe bekannt gewesen, erst vier Jahre später sei gehandelt worden.

Warum ein extremistische Thesen formulierender Lehrer so lange habe frei agieren konnte, sei durch Löhrmann eindeutig beantwortet worden: „Das Schulministerium hat die Erkenntnisse über die Reichsbürgerbewegung jahrelang schlichtweg ignoriert und leugnet nun sogar, dass es diese Erkenntnisse gab.“

>> ÖFFENTLICHER DIENST UND REICHSBÜRGER

Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes müssen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bejahen. Gibt es daran nachweisbar Zweifel, droht ihnen die Entlassung.

Die „Reichsbürgerbewegung“ hält die Bundesrepublik für illegal und fordert dazu auf, staatliche Weisungen zu ignorieren – mit dem Dienstrecht dürfte das unvereinbar sein.