Essen. . An der Gesamtschule Bockmühle in Altendorf werden täglich nur sechs warme Mahlzeiten verkauft – bei 1400 Schülern. Das liegt nicht nur am Essen.

  • Woran es liegt, dass an Schulen wie der Bockmühle in Altendorf nur wenige Essen verkauft werden
  • Test: So schmeckt „Seelachs mediterran“, wenn es die städtische Tochtergesellschaft RGE gekocht hat
  • Schnell wird klar: Es gibt eine „Vielzahl von Gründen“, warum das Essen mancherorts unbeliebt ist

An der Gesamtschule Bockmühle in Essen-Altendorf essen täglich sechs bis zwölf von 1400 Schülern das warme Essen, das der städtische Kantinenbetrieb RGE anliefert. Alex (Name geändert), siebter Jahrgang, ist einer von ihnen.

„Ich komm’ jeden Tag“, sagt er und stochert mit der Gabel in den Kartoffeln, die es heute gibt: „Seelachs Mediterran in Pestosauce mit Kräuterkartoffeln“, steht auf dem Speiseplan. „Für zehn Essensmarken bezahlt meine Mutter zehn Euro.“ Ein Euro pro warmer Mahlzeit – das ist der Satz für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten. Der reguläre Preis pro Mahlzeit beträgt 3,25 Euro. Schmeckt es dir denn? „Mal so, mal so.“

Hartz-IV-Kinder zahlen einen Euro

Und warum holt er sich dann nicht Brötchen, Schokoriegel und Chips, die in der Mittagspause auf dem Schulflur verkauft werden? Und die reißenden Absatz finden? „Weil mir meine Mutter kein Geld für die Schule mitgeben kann.“ Alex schaut gedankenverloren durch die fast leere Mensa.

WAZ-Redakteur testet Schulessen

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    Nur sechs verkaufte warme Mahlzeiten täglich an der Bockmühle – seitdem das bekannt wurde, ist die Diskussion um die Qualität des Angebots neu entbrannt. Der städtische Gastronomiebetrieb RGE, der rund 30 Schulen und Kitas versorgt, verweist regelmäßig auf ein Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, nach deren Kriterien gekocht werde. Es gibt aber Experten in der Branche, die sagen: Das sind Alibi-Dokumente; nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.

    Problem: Es wird hier nicht frisch vor Ort gekocht

    Ein Problem ist ganz sicher: Es wird nicht frisch vor Ort gekocht. Das fertige Essen liegt stundenlang in Styroporboxen. Tatsächlich haben die Kartoffeln an diesem Tag eine dicke Haut bekommen, wie es nach langen Warmhaltephasen üblich ist. Geschmacklich sind sie prima, aber nicht sonderlich angenehm im Mund.

    Wirklich fragwürdig ist aber der Fisch an diesem Tag – komplett trocken, sehr zäh und vollkommen überwürzt. Die „mediterrane“ Kräuterkruste besteht auch aus Chili – ob Kinder so viel Schärfe gut finden? Die Pestosauce dagegen, die zwar blass und unappetitlich aussieht, ist geschmacklich akzeptabel.

    Für den Beschwerde-Briefkasten gibt es keinen Schlüssel

    Neben der Essensausgabe in der Bockmühle-Mensa hängt ein „Kummerkasten Kantinenessen“ an der Wand, für schriftliche Beschwerden. „Der wird seit Jahren nicht benutzt, dafür hab’ ich überhaupt keinen Schlüssel“, sagt der Hausmeister achselzuckend.

    Nach zehn Minuten steht Alex auf und schiebt mit dem Messer den Großteil seines warmen Essens in den Mülleimer. „Ich hab’ eigentlich eh’ keinen Hunger.“ Warum nicht? „Ich bin hyperaktiv. Ich muss morgens eine Tablette nehmen.“ Appetitlosigkeit ist eine weit verbreitete Nebenwirkung unter Kindern und Jugendlichen, die wegen des „Zappelphilipp-Syndroms“ ADHS Ruhigstell-Medikamente wie „Ritalin“ nehmen sollen.

    Es gibt eine „Vielzahl von Gründen“

    Natürlich ist das keine Erklärung, die allein herhält für die schlechte Nachfrage nach dem Schulessen. „Eine Vielzahl von Gründen“ gebe es, heißt es. Es gibt Schulen mit vergleichbar niedrigen Werten. Aber auch Schulen, in denen genau dieses Essen durchaus beliebt ist.

    Am nächsten Tag wollten wir erneut das Essen testen. Die Mittagspause an der Bockmühle dauert von 12.30 bis 13.30 Uhr. Als wir um 13 Uhr kamen, hatten die RGE-Mitarbeiter den Schalter schon geschlossen, die Jalousien waren unten. Als Schulkind hätte man jetzt Hunger bis zum letzten Klingeln um 15.35 Uhr.

    Wie gesagt: Eine Vielzahl von Gründen.

    >> STADT ESSEN WILL AKTIV WERDEN

    • Nach den Berichten über das wenig nachgefragte Schulessen will die Stadt jetzt aktiv werden.
    • Das Problem werde „ganzheitlich analysiert“, kündigte Stadtsprecherin Silke Lenz am Donnerstag an.
    • Dazu sollen auch Experten befragt werden – unter anderem Sternekoch Frank Rosin.