Essen. . An der Gesamtschule Bockmühle in Altendorf ist die Nachfrage nach städtischem Essen besonders gering. Das führt zu neuem Streit um Schulkantinen.
- Seit Jahren liegt die Zahl verkaufter Essen an manchen Ganztagsschulen in Essen sehr niedrig
- Viele machen das Angebot dafür verantwortlich, andere verweisen auf die Nähe von Kiosks als Konkurrenz
- In der Gesamtschule Bockmühle in Altendorf ist die Nachfrage besonders niedrig
Die Debatte um die Qualität des städtischen Schulessens ist neu entflammt. „Da kann etwas beim Angebot nicht stimmen“, sagt Klaus Persch (SPD), der Bezirksbürgermeister für den Essener Westen, mit Blick auf die Gesamtschule Bockmühle in Altendorf: Dort würden täglich nur acht warme Essen verkauft – bei 1400 Schülern und 150 Lehrern. Das berichtete Persch schon im November in einer Sitzung des Stadtteilparlaments; die Linken griffen das Thema zuletzt im Schulausschuss auf.
Dabei stimmt die Zahl „acht“ gar nicht – am Donnerstag waren es nur sechs. Doch mehr als 15 warme Mahlzeiten, berichten Menschen aus dem Umfeld der Schule, würden selten geordert. Stückpreis: 3,25 Euro, Kinder aus Hartz-IV-Familien zahlen einen Euro.
Stempel-Automaten wie im Bus
Blick in die Bockmühle während der Mittagspause: Auf dem Hauptflur im Erdgeschoss herrscht dichtes Gewusel, ein von Eltern betriebener Kiosk-Verkauf brummt: Belegte Brötchen für 1,20 Euro, Plunderteilchen für 80 Cent. Lange Schlangen bilden sich. Eine Tür, rechts vom Flur abgehend, mit der Aufschrift „Mensa“, ist verschlossen – wer sie öffnet, sieht: einen riesigen, leeren Saal mit Tischen und Stühlen. Und einen Lehrer, der Aufsicht hält. Ansonsten niemanden – gähnende Leere zur besten Essenszeit.
„Mein Sohn isst dort nie“
„Mein Sohn isst dort nie“, sagt Elmar Schmitz, der Schulpflegschaftsvorsitzende der Bockmühle. Sein Sohn geht in die sechste Klasse. Es liege allein am antiquierten Order-System: Eltern müssten vorher Marken kaufen, die Kinder stempeln die Marken dann einzeln am Tag des Essens ab – an einem Gerät, wie sie tatsächlich auch in Bus und Bahn hängen. Wer nach 9.30 Uhr stempeln will, kann nichts mehr ordern.
Die Bockmühle wird, wie die meisten Ganztagsschulen in Essen, vom städtischen Gastronomiebetrieb „RGE“ beliefert.
Freitag gibt’s Kohlrabigemüse
Blick in den Speiseplan von dieser Woche: Pasta Bolognese gab’s am Donnerstag, für heute ist Hähnchenschnitzel mit Kohlrabigemüse angekündigt. Ingesamt rund 30 Schulen und Kitas werden von der RGE versorgt; vor Jahren veröffentlichte sie Zahlen, aus denen hervorging, dass an den Schulen täglich im Schnitt 50 Essen geordert würden. Die RGE verweist regelmäßig darauf, dass die Qualität des Essens stimme – es ist zertifiziert durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE).
SPD Essen kündigt Tests an
„Eine Vielzahl von Gründen“, heißt es in der Gesamtschule Bockmühle, sei an der schlechten Resonanz vor Ort schuld. Schon im Dezember 2012 hatte Schul-Dezernent Peter Renzel einen stadtweiten, runden Tisch zum Thema Schulessen einberufen – und mit seinen Büromitarbeitern vier Wochen lang selbst das RGE-Essen verköstigt. Sein Fazit heute: „Uns hat das Essen geschmeckt, es gab geschmacklich daran nichts auszusetzen.“
Die Schulverwaltung will mit dem Anbieter und einzelnen Schulen neu ins Gespräch kommen und, so Renzel, „nach Lösungen suchen, denn wir wollen, dass mehr Essen verkauft werden.“ Und die SPD-Ratsfraktion kündigt an, das Schulessen der RGE demnächst testen zu wollen.
>> KOMMENTAR ZUM THEMA: ES LIEGT AM ANGEBOT
Die schlechte Nachfrage nach städtischem Mittagessen in manchen Essener Ganztagsschulen kann man nicht allein mit der Qualität der Speisen erklären. Diese ist, gemessen an den Möglichkeiten, die eine Zentralküche bietet, womöglich sogar ganz gut.
Die Frage ist aber, ob das Angebot noch zeitgemäß ist: „Gekochte Eier in Senfsauce“ (gab’s Mittwoch) und „Kohlrabigemüse“ (gibt’s heute) sind bestimmt nicht die Mahlzeiten, mit denen man Schulkinder hinter dem Ofen hervorlockt – egal, wie kompetent man sie herstellt.
Also: Das RGE-Essen ist nicht schlecht, aber ganz bestimmt oft unpassend für jene, die es eigentlich essen sollen. Das unzeitgemäße und wenig flexible Order-System, das viele Eltern überfordern dürfte, tut sein Übriges hinzu. Die RGE sollte dringend und umfassend an ihrem Angebot arbeiten.