Essen. . Die Messe-Gesellschaft vermietet der AfD einen Saal für ihren Parteitag. Die Linke will die Vermietung kippen. Politologe rät zur Zurückhaltung.
- Messegesellschaft vermietet Saal an die AfD. Landesparteitag erwartet Ende Februar 400 Delegierte
- AfD sei demokratisch legitimiert. Für Verbot keine Handhabe. Mehrheit im Aufsichtsrat stützt Messe-Chef
- Linke fordert: Mietvertrag aufheben. „Essen stellt sich quer“ meldet Protest-Kundgebungen an
Die Messe Essen will kein großes Aufheben um den Landesparteitag der AfD Ende Februar im Congress-Center an der Norbertstraße machen. Dass diese Nachricht für Wirbel sorgen könnte, zumindest aber Nachfragen provozieren würde – das war Oliver P. Kuhrt aber sehr wohl bewusst.
Mittwochabend informierte der Messe-Chef die Mitglieder des Aufsichtsrates per E-Mail, wie er damit umzugehen gedenkt: Zwei Presse-Anfragen habe es bereits gegeben, ließ Kuhrt wissen: „Bei der Beantwortung der Anfragen beschränken wir uns ausschließlich darauf, den Termin der Veranstaltung zu bestätigen und bei konkreter Nachfrage darauf hinzuweisen, dass wir keine rechtliche Handhabe haben, demokratisch legitimierten Parteien die Anmietung unserer Räumlichkeiten dauerhaft zu verwehren.“ Da machte die erste Meldung der Medien bereits die Runde.
Im Aufsichtsrat stand das Thema AfD nicht auf Agenda
Das ein oder andere Aufsichtsratsmitglied will erst durch die E-Mail davon erfahren haben, dass die AfD sich in der Messe versammeln wird. Ob das abgestimmt war, wie die Messe behauptet – darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Auf der Tagesordnung soll es nicht gestanden haben, weder im Aufsichtsrat noch im Arbeitsausschuss. Die Linke will das zum Thema machen und fordert eine Erklärung. Ob’s ein Nachspiel gibt?
Die Frage, wer wusste was, ist politisch relevant. Die Stadt Oberhausen hatte jüngst einer Tochtergesellschaft untersagt, an die AfD zu vermieten. Der Rat der Nachbarstadt wollte ein Zeichen setzen, wurde aber vom Verwaltungsgericht zurückgepfiffen. Der Messe würde es wohl nicht anders ergehen.
Grundsätzlich gelte bei der Vermarktung, dass Veranstaltungen Dritter mit politischem Hintergrund in den Räumen der Messe durchgeführt werden können, solange sie demokratisch legitimiert sind bzw. der Veranstalter die demokratischen Interessen des Rechtsstaats nicht gefährdet oder in Frage stellt, teilte Messe-Chef Kuhrt am Donnerstag auf Anfrage mit. „Diese Voraussetzung greift auch im vorliegenden Fall.“
Linke Gruppen melden zwei Kundgebungen an
Die Mehrheit des Aufsichtsrates schließt sich dieser Argumentation an. „Wir wollen die AfD nicht in Essen haben, aber wir können es nicht verhindern“, sagt Rainer Marschan, Fraktionsvorsitzender der SPD. Hans-Peter Schöneweiß, Fraktionschef der FDP, sieht’s ähnlich: „Wir haben keine Handhabe.“ Schließlich sei die AfD nicht verboten. Rolf Fliß, Vertreter der Grünen, erinnert daran, dass seine Partei 2011 hatte rechtlich prüfen lassen, ob sich eine Tagung der „Grauen Wölfe“, einer rechtsnationalen türkischen Vereinigung, in der Grugahalle verhindern ließe. Die Antwort lautete seinerzeit: nein.
Fliß wirbt dafür, der AfD mit demokratischen Mitteln entgegenzutreten. Lediglich die Linke fordert die Messe auf, den Mietvertrag mit der AfD zu kündigen.
Mit Protest auf der Straße ist nach Aussage der Polizei zu rechnen. „Essen stellt sich quer“, ein Bündnis linker Initiativen, hat für den 25. und 26. Februar eine Kundgebung mit bis zu 500 Teilnehmern in unmittelbarer Nähe des Congress-Centers angemeldet.
Dass die europafeindliche AfD im „Saal Europa“ zusammenkommt, mag man einen ironischen Wink nennen. Mit bis zu 960 Plätzen ist es schlicht der größte Saal im Westflügel. 400 Delegierte werden erwartet, um die Kandidaten für die Bundestagswahl zu bestimmen. Für die AfD ist es nicht der erste Parteitag in Essen. Im Juli 2015 war es in der Grugahalle zum offenen Bruch gekommen, die „Weckruf-Bewegung“ um Gründer Bernd Lucke spaltete sich ab.
>> EXPERTEN-INTERVIEW ZUM THEMA: "BALL FLACH HALTEN"
Martin Florack, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, beschäftigt sich mit der AfD. Sein Rat: Den Ball flach halten.
Die Messe Essen vermietet der AfD einen Veranstaltungssaal, die Stadt Oberhausen wollte die AfD vor die Tür setzen. Was ist der richtige Umgang mit dieser Partei?
Martin Florack: Ich habe meine Zweifel, ob das klug war, was sie in Oberhausen versucht haben. Auch wenn die Situation wegen des Veranstaltungsortes sicher eine besondere war. (Die Halle ist nach der ehemaligen Oberbürgermeisterin Luise Albertz benannt, deren Vater im KZ ermordet wurde./Anmk. d. Red.) Die Stadt Oberhausen wird aber nicht wirklich daran geglaubt haben, dass sie mit dem Verbot vor Gericht durchkommt. Es wäre klüger gewesen, den Ball flach zu halten.
Die Stadt Oberhausen wollte ein politisches Zeichen setzten.
Florack: Ja, aber so etwas stärkt die AfD darin, ihre übliche Anti-Eliten-Melodie anzustimmen. Es trägt zur Stigmatisierung bei und stärkt die Rolle, in der die AfD sich gerne sieht. Auch für die AfD gelten die rechtsstaatlichen Prinzipien. Was macht es da für einen Sinn, sich vor Gericht zu verkämpfen?
Kritiker nennen die AfD antidemokratisch. Trägt die Messe nicht dazu bei, dass die AfD als eine „ganz normale Partei“ gesehen wird, als die sie sich darstellt?
Florack: Was normal ist, liegt immer im Auge des Betrachters. Erst einmal ist die AfD ja eine „normale“ Partei. Das muss einem nicht gefallen, aber man muss den Wettstreit eben aushalten. Der AfD hat am Ende mehr geschadet, dass über ihren Parteitag in Oberhausen berichtet wurde, als wenn er nicht stattgefunden hätte.