Ein Kronzeuge der Islamisten hat ausgepackt – und mit seiner Aussage die Essener Tempelbomber erneut belastet
- Kronzeuge und Syrien-Rückkehrer spricht von der Radikalisierung der Essener Tempelbomber
- Bombenanschlag im April 2016 auf ein Gebetshaus der Essener Sikh-Gemeinde
- „Ehefrau“ eines 17-Jährigen kommt im langen Schleier zu ihrer Zeugenaussage
Ohne Öffentlichkeit verhandelt die V. Jugendstrafkammer seit Anfang Dezember gegen Yusuf T. (17) aus Gelsenkirchen, Mohamad B. (16) aus Essen und Tolga I. (17) aus Schermbeck. Ohne Öffentlichkeit, weil die drei Angeklagten, die am 16. April 2016 vor dem Essener Sikh-Tempel eine Bombe gezündet hatten, noch Jugendliche sind. Und so dringt nur unbestätigt nach draußen, wie radikalisiert die selbst ernannten Islamisten vor dem Anschlag waren.
Einer aus der Szene belastet die drei, vor allem den Gelsenkirchener Yusuf T., der sich im Prozess bislang reumütig zeigt und mit dem Anschlag nur erschrecken wollte – keinesfalls töten.
Die Aussage von Anil O. (23) lässt ihn in einem anderen Licht stehen. Als blutgierig beschreibt der Syrien-Rückkehrer den 17 Jahre alten Gelsenkirchener. 2014 habe er ihn in dessen Heimatstadt getroffen. Er selbst, Anil O., sei damals in salafistischer Kleidung mit zwei vollverschleierten Frauen an der Seite durch die Stadt gelaufen. Yusuf T. habe ihn angesprochen und den Kontakt zur islamistischen Szene gesucht. Schnell habe der Gelsenkirchener sich radikalisiert. Anil O.: „Erst war ich sein Vorbild, dann sein Konkurrent, dann sein Feind.“
Das passt zu der Lebensgeschichte, die nach dem Tempel-Attentat von der Polizei recherchiert worden war. Yusuf T. ist in Gelsenkirchen geboren worden, auch seine Mutter kam in Deutschland zur Welt. Als Zehnjähriger kam er 2009 auf ein Gymnasium in Gelsenkirchen, wegen schlechter Leistungen musste er 2011 auf eine Realschule.
In der Schule Böller gezündet
2014 musste er auch sie verlassen, weil er einen Böller gezündet hatte. Auf der nächsten Schule soll er durch Gewalt, Frauenfeindlichkeit und islamistische Sprüche aufgefallen sein. Er musste erneut gehen
Das passt zu den Angaben von Anil O., dass er Yusuf T. 2014 als noch nicht radikalisierten 15-Jährigen kennengelernt hatte. Im November 2014 erzählte T. schon, er kenne IS-Mitglieder.
Damals muss es gewesen sein, dass er sich in Solingen mit einer jungen Muslimin nach religiösem Ritus verheiraten ließ. Die junge Hagenerin galt damals ebenfalls als radikalisiert. Am Dienstag vernahm das Gericht sie. Viele der Prozessbeteiligten erwarteten sie mit Vollverschleierung. Doch diesem Klischee entsprach sie nicht. Allerdings betrat sie das Gericht in einem „Tschador“, einer Verschleierung, die das Gesicht frei lässt. Ganz fern der islamistischen Szene scheint sie nicht zu sein.
Die Aussagen des Kronzeugen Anil O. treffen vor allem ihren „Ehemann“ Yusuf T., der sich bemüht, dem Gericht seinen Wandel vom Saulus zum Paulus zu verdeutlichen. Ob er sich nur tarnt, ob die Aussage von Anil O. stimmt?
Aussage führte zur Razzia
Am 15. Februar will das Gericht den Syrien-Rückkehrer in Essen hören. Zur Zeit sitzt er auf Antrag der Generalbundesanwaltschaft wegen des Verdachts der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“.
Vernommen wurde er zu Yussuf T. am 23. Januar durch das LKA-NRW. Seine Aussage hatte Anfang November zur Festnahme von fünf mutmaßlichen IS-Mitgliedern geführt.