Essen. . Seit fast drei Jahrzehnten verkauft Große-Kock Blumen im Hauptbahnhof. Unter all den großen Ketten bildet das Familienunternehmen eine Ausnahme

Vom grauen Fliesenboden des Hauptbahnhofes sind es nur ein paar Schritte bis zur exotischen Blumenwelt: Leuchtende Clematis stehen hier neben blühenden Rosen; Zierananas, Hortensien und Alstromerien kämpfen gleichermaßen um die Aufmerksamkeit der Kunden. Eine riesige Palme überragt alle anderen Pflanzen, eingetopfte Orchideen im Miniformat warten auf einen schnellen Käufer.

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Jennifer Blosczyk macht im hinteren Teil des Blumengeschäftes Große-Kock einen Strauß zurecht. Sie hat gerade etwas Zeit an diesem Vormittag, der Ansturm kommt erst später – wenn die Pendler auf dem Weg in den Feierabend noch schnell ein paar Blumen mitnehmen wollen. „Dann muss es schnell gehen“, sagt die Auszubildende. „Wir haben hier viel Laufkundschaft, die Leute haben es oft eilig.“

Das Geschäft hat drei Filialen

Seit 1989 gibt es das Blumengeschäft im Essener Hauptbahnhof. Mittlerweile ist der Laden selbst zu einem Exoten geworden. Denn im Gegensatz zu den übrigen Händlern im Bahnhof ist Große-Kock kein deutschlandweit oder gar global agierendes Unternehmen, sondern ein kleiner Mittelständler aus der Region mit 25 Mitarbeitern. Essen ist dabei einer von drei Standorten des Familienunternehmens, die anderen Filialen sind 15 beziehungsweise 30 Zugminuten entfernt in den Hauptbahnhöfen in Duisburg und Düsseldorf ansässig.

Der Essener Hauptbahnhof in Zahlen

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Minuten dauert die Fahrt vom Hauptbahnhof zum S-Bahn-Halt Essen West. Kein Bahnhof ist näher dran am Hauptbahnhof. 609 Minuten im ICE sind es hingegen zum Hauptbahnhof in Wien, dem am weit entferntesten von Essen ohne Umsteigen erreichbare Ziel.

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Eisenbahnverkehrsunternehmen fahren den Hauptbahnhof derzeit an: DB Regio, Abellio und die Nordwestbahn im Regionalverkehr, DB Fernverkehr, Thalys und der Hamburg-Köln-Express (HKX) im Fernverkehr. In diesen Markt kommt in den nächsten Jahren ordentlich Bewegung.

5700

Quadratmeter Vermietungsfläche gibt es insgesamt im Hauptbahnhof. Im Vergleich mit Köln (11.500 Quadratmeter), Düsseldorf (9928 Quadratmeter) und Dortmund (9693 Quadratmeter) steht Essen deutlich zurück.

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Mieter hat der Bahnhof derzeit – von der Bahnhofsbuchhandlung über mehrere Bäcker bis zum Schnellrestaurant. Mit Starbucks, McDonalds oder Subway findet man die typischen Gastronomie-Ketten, zu den Besonderheiten gehört die Filiale des Discounters Lidl, auch die Drogeriekette DM hat dort eine Niederlassung. 

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Kassen gibt es in der Lidl-Filiale, 54 Mitarbeiter arbeiten dort, 1600 Produkte sind im Angebot. Mehr will die Pressestelle des Unternehmens nicht über das Geschäft verraten.

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Bahnhofskneipen gibt es im Hauptbahnhof. Die Traditionskneipe „Bierfass“ mit ihrer rustikalen Eichenholzeinrichtung überlebte den Umbau zur Kulturhauptstadt nicht, passte nicht mehr ins Konzept.

170 000

Besucher hat der Essener Hauptbahnhof am Tag. Gemessen an dieser Zahl gehört er zu den zehn größten in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen zählen lediglich die zentralen Bahnknotenpunkte in Köln (280.000) und Düsseldorf (250.000) mehr Besucher.

81 Prozent

der Deutsche-Bahn-Kunden denken beim Stichwort Bahn zuerst an den Bahnhof. Das hat zumindest eine Kundenumfrage der Bahn ergeben. Demnach ist der Bahnhof der Identifikations-Faktor Nummer eins für Zugreisende, deutlich vor dem ICE.

55

Bahnhöfe werden insgesamt vom Bahnhofsmanagement Essen betreut. Dazu gehören insgesamt 26 Bahnhöfe auf Essener Stadtgebiet, zuvorderst der Hauptbahnhof. Hinzu kommen unter anderem die Hauptbahnhöfe in Bochum, Gelsenkirchen, Wanne-Eickel oder Witten. Das Bahnhofsmanagement kümmert sich um Organisation und Service.

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Millionen Euro hat der Umbau des Hauptbahnhofes rechtzeitig zum Kulturhauptstadtjahr 2010 gekostet. Gearbeitet und saniert wurde insgesamt 16 Monate lang.  Zum Vergleich: Für die im kommenden Jahr beginnende Modernisierung des Duisburger Hauptbahnhofes sind rund 150 Millionen Euro veranschlagt.

24

Stunden am Tag ist der Bahnhof für die Öffentlichkeit zugänglich. Es halten auch die gesamte Nacht über Züge im Bahnhof. Wer mitten in der Nacht Hunger verspürt: Das McDonalds-Restaurant schließt seine Türen nie.

800

Züge im Linienverkehr halten durchschnittlich am Bahnhof – und das jeden Tag: 400 S-Bahnen, 220 Regionalzüge und 180 Fernverkehrszüge.

664

Meter misst der längste Bahnsteig in Essen - der Bahnsteig an Gleis 4. Essen ist damit in der Rangliste der längsten Bahnsteige in Deutschland weit vorne, angeblich hat Mainz den längsten mit über 700 Meter. Zum Vergleich: Der neue ICE 4 ist 346 Meter lang.

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Gleise gibt es im  Hauptbahnhof insgesamt. Gleis drei hat keinen Bahnsteig, acht Gleise sind Durchgangsgleise, außerdem gibt es fünf sogenannte Stumpfgleise. Diese Gleise enden am Hauptbahnhof. Die abgetrennten Seitenbahnsteige 21/22 weichen von der durchgehenden Nummierung ab. Die Bahnsteige 13 bis 20 fehlen deshalb komplett.

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Stellwerke im Stadtgebiet sind ständig besetzt. Neben dem am Hauptbahnhof  noch die in Steele und Altenessen. Vom großen Stellwerk aus wird nicht nur der Bahnhofsverkehr gesteuert, sondern unter anderem die S6-Strecke bis Ratingen.

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Jahre musste die Essener Bundespolizei darauf warten, wieder in den Bahnhof einziehen zu können. Während des Umbaus wurde die Wache 2009 an die Herkulesstraße verlegt, 800 Meter vom Ort des Geschehens entfernt. Eigentlich war der Rückumzug früher geplant, doch weil eine bei den Arbeiten beteiligte Firma pleite ging, verzögerte er sich bis Juli 2016.

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Verbunden mit dem Essener Bahnhof war die kleine Firma, lange bevor sie ihr Geschäft hier eröffnete. „Mein Vater war zunächst Gärtner und hat nach dem Krieg den Blumenhändler im Hauptbahnhof beliefert“, sagt Geschäftsführer Andreas Große-Kock.

Sehr viele Stammkunden

Als Bahnhofsladen zielt der Blumenhändler natürlich vor allem auf eine Gruppe ab: Pendler. Unter ihnen gibt es die Spontankäufer, die flott eine Blume brauchen, aber auch Menschen, die zweimal in der Woche vorbeikommen. „Wir haben sehr viele Stammkunden, die gezielt nach der Arbeit zu uns kommen“, sagt Große-Kock. Aber nicht nur die täglichen Zugfahrer kaufen in dem Laden ein, auch Anwohner und Fernreisende gehören zu den Kunden. Den Großteil des Umsatzes macht Große-Kock mit Schnittblumen, doch selbst die riesigen Palmen in den schweren Töpfen werden an und ab verkauft – wenngleich nicht unbedingt an den Menschen, der in drei Minuten seine S-Bahn bekommen muss.

Der Klassiker: Rote Rosen.
Der Klassiker: Rote Rosen. © Dirk Bauer

Es gebe nämlich auch einen großen Kundenstamm, der von außerhalb des Bahnhofs komme, betont Große-Kock. Der Laden profitiert dabei immer noch von seinen großzügigen Öffnungszeiten – wenngleich der Vorteil gegenüber der Konkurrenz früher deutlich größer war. Seit Jahren dürfen alle Blumenhändler sonntags und an Feiertagen fünf Stunden öffnen, Große-Kock ist jeden Tag von 8 bis 21 Uhr (am Wochenende bis 20 Uhr) geöffnet, an 365 Tagen im Jahr.

Roten Rosen sin der Klassiker

„Wir wollen aber durch unsere Qualität überzeugen, nicht durch die Öffnungszeiten“, sagt der Chef. Deshalb bietet das Team um Filialleiter Christian Hoyer ein möglichst breites Sortiment an, dafür fährt er drei Mal in der Woche zur Blumenauktion nach Straelen, nahe der niederländischen Grenze.

Und welche Blumen gehen am besten? „Rote Rosen sind der Klassiker “, sagt die Auszubildende Jennifer Blosczyk. „Viele kaufen nur eine Rose, wenn sie jemanden vom Gleis abholen.“ Es sei aber auch schon vorgekommen, dass ein Kunde gleich 100 Stück auf einmal geordert hat – was für die einen gut fürs Geschäft ist, hat bei dem anderen hoffentlich in der Liebe weitergeholfen...

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