Essen. . Die Stadt Essen will der Steag das lukrative Fernwärme-Geschäft nicht mehr allein überlassen. Die Überlegungen dazu sind nicht ohne Brisanz.

  • Die Stadt Essen will künftig bei der Fernwärme mitverdienen und verhandelt darüber mit der Steag
  • Am liebsten wäre der Stadt eine gemeinsame Gesellschaft, die das Netz ausbaut
  • Sollte es zu keiner Einigung kommen, dann droht die Stadt mit der Kündigung wichtiger Verträge

Der Plan ist nicht ohne Brisanz: Die Stadt Essen will in Zukunft im lukrativen Fernwärme-Geschäft mitmischen und dafür dem Fernwärmeanbieter Steag ein Stück vom Kuchen abknapsen. „Wir wollen mehr an der Wertschöpfung partizipieren“, bestätigte Peter Schäfer, Geschäftsführer der Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) und gleichzeitig Vorstand der Stadtwerke Essen.

Für die Bürger würde das bedeuten, dass die Stadt das Geld dann in den öffentlichen Nahverkehr stecken könnte, um die Verluste dort auszugleichen. Das würde den kommunalen Haushalt entlasten.

1,8 Millionen Euro zahlt die Steag an Miete für ihre Leitungen in Essen

Schon heute zahlt die Steag zwar jährlich rund 1,8 Millionen Euro Miete an die Stadt, dafür dass sie den städtischen Boden für die Fernwärme-Leitungen nutzt. Doch die Stadt erhofft sich künftig deutlich höhere Einnahmen.

Freiwillig würde die Steag die Stadt sicher nicht mitverdienen lassen. Aber für die Stadt stehen die Zeichen gerade günstig. Bis Sommer 2017 muss der Stadtrat entscheiden, ob die Stadt die so genannten Gestattungsverträge – also die Mietverträge für die Leitungen – mit der Steag kündigt. Dann würden diese im Sommer 2020 auslaufen und Essen könnte das Netz kaufen. Damit hätte die Stadt alle Optionen in der Hand, wie es mit der Fernwärme ab 2020 weitergeht. Tut sie dagegen nichts, verlängern sich die Verträge bis 2030.

2007 knickte die Essener Politik vor der Steag ein

Schon vor zehn Jahren gab es in der Essener Politik die gleiche Diskussion. Und obwohl Gutachten damals der Stadt geraten hatten, die Verträge zu kündigen, schreckte sie vor dem Konflikt mit der Steag zurück. Schließlich sollte der Fernwärmeversorger einer der wichtigen Sponsoren für das Kulturhauptstadtjahr sein.

Heute klingen die Töne anders: „Wir würden den Konfliktfall eingehen“, kündigte Schäfer an. Zunächst aber verhandle man derzeit mit der Steag darüber, wie sich beide Seiten gütlich einigen können. Der Stadt schwebt offenbar eine gemeinsame Gesellschaft mit der Steag vor, die das Fernwärmegeschäft dann vorantreibt. Ob an dem Unternehmen die EVV beteiligt wird oder direkt die Stadtwerke Essen, ist noch nicht ausgemacht.

Geschäft der Stadtwerke Essen könnte breiter aufgestellt werden

Generell spielen die Stadtwerke bei den Überlegungen eine wesentliche Rolle: Ihr Gasgeschäft ist rückläufig und der Stromverkauf kommt auch nicht voran. Zudem macht die Fernwärme dem Gas-Geschäft der Stadtwerke zunehmend Konkurrenz, denn die Steag will in der Stadt weitere Gebiete erschließen, hat dafür auch schon Anträge gestellt.

Der Druck auf die Gewinne der Stadtwerke steigt. Sie müssen sich überlegen, wie sie sich in Zukunft breiter aufstellen können. Das Fernwärmegeschäft, das noch Monopolcharakter hat, käme da gelegen. Das wäre auch im Interesse der Stadt, die mit 51 Prozent an dem kommunalen Versorger beteiligt ist. Mit den Gewinn-Ausschüttungen gleicht sie schon heute die Verluste der Evag teilweise aus.

Zwar klingt es paradox, dass die Stadt ausgerechnet der Steag Teile eines lukrativen Geschäftes abspenstig machen will. Schließlich ist Essen über die Stadtwerke indirekt an der Steag mitbeteiligt. Doch seit Ausschüttungen der Steag an die Stadtwerke ausbleiben, sind die Überlegungen gereift, dass man wohl besser direkt mitverdient. Zumal niemand weiß, wann die von der Energiewende gebeutelte Steag wieder Geld überweisen kann.

>>>DAS WÄRMEGESCHÄFT DER STEAG IN ESSEN

Die Steag hat seit 1981 Gestattungsverträge und versorgt Essen bereits seit 1960 mit Fernwärme. Der aktuelle Vertrag enthält eine Passage, wonach die Stadt Essen diesen zum 30. Juni 2017 mit Wirkung zum 30. Juni 2020 kündigen kann.

Das Steag-Leitungsnetz in Essen beträgt rund 360 Kilometer. Die Steag stellt rund 768 Megawatt Wärmeleistung zur Verfügung, diese entspricht ungefähr demjenigen von 170 000 Wohneinheiten, wobei sich unter den Kunden auch Großabnehmer befinden.