Essen. Versuchter Mord wird den Jugendlichen vorgeworfen, die einen Sprengsatz vor dem Sikh-Tempel zündeten. Der Prozessauftakt hat sich verzögert.
- Am Landgericht Essen hat der Prozess um den Bombenanschlag auf einen Essener Sikh-Tempel begonnen
- Auftakt des Verfahrens verzögerte sich, weil JVA offenbar vergessen hatte, einen Angeklagten zum Prozess zu bringen
- Prozess findet unter Ausschuss der Öffentlichkeit statt, aber das Medieninteresse ist groß
Die Weltpresse blickt aufs Landgericht Essen. Nur die Justizvollzugsanstalt Heinsberg hat davon nichts mitbekommen und es offenbar vergessen, einen Angeklagten zum Prozess um den Bombenanschlag auf einen Essener Sikh-Tempel zu bringen. So verzögert sich der Auftakt des Verfahrens am Mittwoch um mindestens drei Stunden – um begann erst um 12 Uhr.
Auf versuchten Mord lautet die Anklage gegen die drei Jugendlichen, die sich laut Anklage zusammengeschlossen hatten, um “Ungläubige” mit Sprengstoffanschlägen zu töten. Der Gelsenkirchener Yusuf T. (17), der Essener Mohamad B. (16) und der Schermbecker Tolga I. (17) sollen die Tat gemeinsam geplant haben. Am 16. April kam es zur Explosion vor dem Tempel. Der Priester der Gemeinde wurde dabei schwer verletzt, mehrere andere Besucher leicht. Wenige Minuten zuvor hatte dort noch eine indische Hochzeitsgesellschaft gefeiert.
Viele Fotografen und Kamerateams im Landgericht Essen
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird ab Mittwoch das Verfahren vor der V. Strafkammer laufen, weil alle Angeklagten unter 18 Jahre alt sind. Das Essener Landgericht ist bemüht, das Verfahren als ganz normalen Jugendstrafprozess darzustellen. Es will auch keine größeren Informationen über den Prozesslauf mitteilen.
Die Anzahl der TV- und Fotokameras auf dem engen Flur vor Saal 386a widerspricht dem Eindruck eines “ganz normalen” Verfahrens allerdings gewaltig. Verteidiger Burkhard Benecken erzählt in die Kameras, dass seinem Mandanten Yusuf T. die Abkehr vom gewalttätigen Islam gelungen sei: “Ich würde sagen, er ist auch reumütig.” Allerdings ist es mit der Schuldzuweisung nicht ganz eindeutig, wenn man Benecken folgt. “Der Staat hat zugeschaut”, sagt er und meint damit, dass alle Angeklagte in staatlichen Aussteigerprogrammen waren, nachdem ihre Mütter den Verdacht auf islamistische Tendenzen den Behörden gemeldet hatten.
Keine Verbindung zu übergeordneten Terrororganisationen ermittelt
“Aufklärung” erhofft sich Jan Czopka, Nebenklageanwalt des Priesters der Sikh-Gemeinde, von dem Verfahren. Sein Mandant wolle wissen, aus welchen Gründen der Anschlag geplant und ausgeführt worden sei. Physisch sei der Priester wieder gesund, psychisch sei das weit schwieriger.
Viel Bewachungspersonal hat das Gericht aufgeboten. Das gilt wohl weniger einem Befreiungsversuch durch IS-Terroristen, denn schusssichere Westen sind am Körper der Justizwachtmeister nicht zu erkennen. Die Ermittlungen hatten auch keine Verbindung zu übergeordneten Terrororganisationen ergeben. So hat die Bundesanwaltschaft auch die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Offenbar dient der Sicherheitsaufwand nur dazu, die Presse abzuwehren.
“Bruder Falk” von der “Islamischen Gefangenenhilfe” ist auch da
Auf dem Flur steht ein massiger, bärtiger Mann. Er stellt sich als Bernhard Falk vor, der in den 90er Jahren als Mitglied der Antiimperialistischen Zelle (AIZ) wegen diverser Bombenanschjläge vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde. Vor mehreren Jahren ist er zum Islam gewechselt, nennt sich “Bruder Falk” oder “Muntasir bi-Ilah”. Eine US-feindliche Weltsicht wird ihn begleitet haben. Unter seinem Namen betreibt er die “Islamische Gefangenenhilfe”. Zu den Essener Tempelbombern habe er aber keine Kontakte, versichert er. Er schaue sich aus Interesse die Prozesse an, wolle mit Anwälten ins Gespräch kommen.