Essen. . Oliver Weimann ist einer der Geschäftsführer des Ruhr:Hubs, der die Digitalisierung der Wirtschaft fördert. Sitz wird das Deutschlandhaus.
- NRW-Wirtschaftsministerium hat dem Ruhr:Hub offiziell seinen Förderbescheid überreicht
- Damit sollen Konzerne, Mittelstand und Start-ups im Ruhrgebiet miteinander vernetzt werden
- Ruhr:Hub-Geschäftsführer Oliver Weimann spricht im Interview über seine Ziele
Start für das neue Zentrum der digitalen Wirtschaft im Ruhrgebiet: Am Dienstag gab es vom Wirtschaftsministerium den Förderbescheid für den so genannten Ruhr:Hub, der Start-ups, Industrie und Mittelstand vernetzen soll. Für den Ruhr-Hub haben sich sechs Ruhrgebietsstädte und die Wirtschaftsmetropole Ruhr zu einer GmbH zusammengeschlossen, um die Digitalisierung der Wirtschaft in der Region voranzutreiben.
Einer der beiden Hub-Geschäftsführer ist der Essener Oliver Weimann, der in Bredeney selbst ein Start-up gründete, das heute Gründer und Unternehmen berät. Jennifer Schumacher sprach mit ihm über die anstehende Arbeit.
Was genau will der Ruhr:Hub?
Oliver Weimann: Die Wirtschaft entwickelt sich so drastisch wie seit der Industrialisierung nicht. Deswegen müssen sich bestehende Unternehmen neu aufstellen: Viele Start-ups sind dabei, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die man so vorher nicht kannte. Wir wollen mit dem Ruhr:Hub Verbindungen schaffen zwischen beiden Welten – und vor allem das Ruhrgebiet als Standort stärken.
Trotz vieler Großkonzerne sind Essen und das Ruhrgebiet vor allem durch den Mittelstand geprägt. Gibt es dort viel Nachholbedarf in der Digitalisierung?
Es geht nicht darum, wie sich Firmen online präsentieren, eine Homepage hat mittlerweile fast jeder Betrieb. Vielmehr gilt es, immer wieder zu hinterfragen, welcher Teil des eigenen Unternehmens angegriffen werden könnte. Die Produktion wird immer weiter automatisiert – wenn mein Mitbewerber dem Kunden online den besseren und schnelleren Service bietet, ist es egal, in welcher Stadt das Unternehmen sitzt. Gewisse Branchen wie beispielsweise die Druckindustrie haben sich schon komplett gedreht – dort werden die Aufträge fast ausschließlich online erfasst und versendet. Auf diese Entwicklungen müssen Unternehmen reagieren.
Viele Marktführer und Spezialisten im Ruhrgebiet
Gibt es Branchen, die in diesem Prozess besondere Unterstützung brauchen?
Es gibt vor allem Themen, bei denen viele Hilfe benötigen: Etwa das so genannte Internet of Things. Dahinter verbergen sich intelligente Gegenstände, die miteinander vernetzt werden: Die Kaffeemaschine etwa Alarm gibt, wenn der herzschwache Nutzer eine Tasse zu viel trinkt. Dort spielt auch das Thema Big Data eine Rolle, bei dem es darum geht, aus einem Wust von Daten als Unternehmen jene herauszufiltern, die es für sein Geschäftsmodell nutzen kann. Und genau das sind die Bereiche, in denen wir im Ruhrgebiet stark sind.
Inwiefern?
Mit Rapidminer sitzt der Weltmarktführer beim Thema Big Data in Dortmund. In Bochum gibt es einen eigenen Lehrstuhl für Data-Security, die Hälfte der Spezialisten für IT-Sicherheit in Deutschland wird dort ausgebildet. Und Essen ist auf dem digitalen Gesundheitsmarkt mit Unternehmen wie Bitmarck und Optadata führend. Wir haben also wirklich starke Kompetenzen hier. Nicht zuletzt ist die Region als solche ein Pfund, mit dem man wuchern kann: Mit fünf Millionen Menschen, 250 000 Studenten und 20 Hochschulen haben wir hier das Talent und das Know-How.
Dem Ruhrgebiet wird oft Kirchturmdenken vorgeworfen, Essen wollte sich zunächst sogar allein bewerben. Inwieweit behindert die Struktur des Ruhrgebiets den Hub?
Positiv ist anzumerken, dass sich mit Bochum, Dortmund, Essen, Duisburg, Gelsenkirchen und Mülheim sechs Städte des Ruhrgebiets zum ersten Mal seit Jahrzehnten in einer gemeinsamen GmbH zusammengeschlossen haben. Und jede Stadt bringt sich mit ihren jeweiligen Stärken ein. Von außen betrachtet kann niemand verstehen, warum wir 50 Städte sind. Wir spielen in einer spannenden Liga – aber nur gemeinsam.
Co-Working-Spaces im Deutschlandhaus
Sehen Sie den Hub als gute Chance für das Ruhrgebiet, sich zu positionieren und den Strukturwandel zu meistern?
Strukturwandel ist immer ein Kaugummibegriff, der suggeriert, dass aus ehemaligen Bergleuten auf einmal IT-Fachleute werden. Doch so einfach ist das nicht: Das Thema wird die nächsten 100 Jahre beherrschen und das branchenübergreifend. Wir sind eine Region mit Großindustrie, einem starken Dienstleistungsgewerbe und vielen jungen Leuten. Sie alle müssen wir zusammenführen, damit die Region bei Standortentscheidungen von Unternehmen wie Uber, Google und Microsoft in Betracht gezogen wird.
Wie wollen Sie die entscheidenden Köpfe zusammenführen?
Zum einen wollen wir bereits etablierte Veranstaltungen wie die Start-up-Nights ausbauen und für mehr Besucher werben. Im Deutschlandhaus in Essen, wo wir auch als Geschäftsführer sitzen, bekommen Start-ups ab dem kommenden Jahr die Möglichkeit, Schreibtische anzumieten, sogenanntes Co-Working also. Außerdem werden wir Workshops anbieten. Im Umkehrschluss wollen wir unsere Kompetenz den Unternehmen der beteiligten Städte vermitteln: Wir bringen Mittelstand und Konzerne mit den passenden Start-ups zusammen – nicht nur aus der Region sondern auch mit nationalen und internationalen Gründern. Da diese Dienstleistung kostenpflichtig ist, hoffen wir, dass sich der Ruhr:Hub eines Tages selbst finanzieren kann, wenn der Förderzeitraum von drei beziehungsweise fünf Jahren beendet ist.
Wie die digitale Wirtschaft gefördert werden soll
>>> Mit der Gründung der Digital-Hubs will das NRW-Wirtschaftsministerium eine digitale Offensive starten, die das Land mit Millionen Euro unterstützt. Die Hubs werden künftig als Drehschreiben für die Zusammenarbeit zwischen Start-ups, Industrie und Mittelstand dienen und die Entwicklung gemeinsamer digitaler Geschäftsprozesse und -modelle fördern.
>>> Die sechs Hubs entstehen in Aachen, Bonn, Düsseldorf/ Rheinland, Köln, im Münsterland und im Ruhrgebiet. Jeder Hub kann bis zu 1,5 Millionen Euro Förderung für drei Jahre erhalten – mit einer Verlängerungsmöglichkeit von zwei Jahren. Die Regionen steuern einen Eigenanteil in gleicher Höhe bei.
>>> Ursprünglich hatten Essen, Mülheim und Dortmund eigene Bewerbungen ins Auge gefasst. Allerdings bekam Essen nicht die nötigen Eigenmittel zusammen, so dass eine eigene Bewerbung schon daran scheiterte und Essen doch mit unter das Dach der gemeinsamen Bewerbung schlüpfte – auch auf Druck der anderen Städte hin.