Essen. Essens Sportszene diskutiert über Schläger auf dem Fußballplatz. Eine Kriminologin sagt: Die häufigsten Ausraster passieren in der dunklen Jahreszeit.

  • Laut den bundesweiten Daten des DFB sind Gewaltattacken im Fußball die Ausnahme
  • Zwischen Oktober und November passieren schon immer die meisten Ausraster, sagt eine Kriminologin
  • In Essen komme es nicht zu mehr Gewaltfällen als in vergleichbaren Städten

Ratlos diskutiert die Politik derzeit über die jüngsten Gewaltausbrüche auf Essens Fußballplätzen. Von „klarer Kante“, die man zeigen will, ist die Rede, harte Strafen werden gefordert, die nächste Krisenrunde einberufen. Doch wie schlimm steht es wirklich um den Amateurfußball?

Glaubt man den Zahlen des Deutschen Fußballbundes sind Gewaltausbrüche auf den Fußballplätzen weiterhin die Ausnahme. Seit der Saison 2014/15 muss nach jedem Spiel in den elektronischen Bericht eingetragen werden, ob es einen Gewalt- oder Diskriminierungsvorfall gegeben hat. Ergebnis: Bundesweit waren in der vergangenen Saison 0,48 Prozent aller 1,6 Millionen Spiele betroffen. 3717 Mal war Gewalt im Spiel, 3037 Mal eine Diskriminierung, 00,4 Prozent der Spiele wurden abgebrochen.

Kriminologin kann in Essen keinen negativen Ausreißer erkennen

„Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Gewalt auf den Fußballplätzen zunimmt, weder quantitativ noch qualitativ“, sagt die Kriminologin Thaya Vester von der Uni Tübingen, die beim DFB Mitglied der Arbeitsgruppe „Fairplay und Gewaltprävention“ ist.

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Zwar sei ein Unterschied zwischen Stadt und Land zu erkennen – doch auch in den Metropolen bleiben die Vorfälle im niedrigen Prozentbereich. Vester hat das am Beispiel der baden-württembergischen Landeshauptstadt aufgeführt, demnach sind in Stuttgart rund zwei Prozent aller Spiele von Gewalt betroffen. Einen negativen Ausreißer kann Vester in Essen nicht erkennen.

Gefühlt gibt es mehr Gewaltausbrüche auf Fußballplätzen

Dass es gefühlt mehr Gewaltausbrüche auf den Plätzen gibt, kann die Kriminologin hingegen schon bestätigen. Ein Grund dafür: Berichte über die Vorfälle finden dank Internet und sozialen Medien deutlich öfter den Weg in die Öffentlichkeit und bleiben dort länger Thema als früher.

Was Vester auch sagt: Zwischen Oktober und Dezember haben Wutausbrüche schon immer Hochkonjunktur. Das liege an der allgemein verdüsterten Stimmung mancher Menschen in der dunklen Jahreszeit, am Wetter und am Saisonzeitpunkt. Soll heißen: Wenn der ohnehin schon deprimierte, seit Monaten torlos gebliebene Stürmer des mittlerweile tief im Abstiegskampf feststeckenden Titelkandidaten auf dem Ascheplatz nach einem Foul in der Pfütze landet, ist die Chance auf einen Ausraster höher als bei einem lauen Sommerkick zweier Teams aus dem Tabellenmittelfeld. „Der Herbst ist die klassische Zeit für Gewalt“, sagt die Wissenschaftlerin.

Kriminologin plädiert für verstärkte Präventionsmaßnahmen

Diese These lässt sich immerhin damit stützen, dass die letzten Vorfälle in Essen ebenfalls in der dunklen Jahreszeit passierten, als im November 2014 in der Freizeitliga einem Schiedsrichter der Kiefer gebrochen wurde und dem FC Alanya nach einem Vorfall im Oktober 2015 der Ausschluss aus dem Essener Sportbund drohte. Und beim Skandalspiel an der Seumannstraße vor zwei Wochen trafen in der Kreisliga C Schlusslicht Atletico Essen II und der Tabellenvorletzte Fatihspor III aufeinander.

Thaya Vester will das Thema nicht verharmlosen und plädiert für verstärkte Präventionsmaßnahmen, jeder Gewaltvorfall sei einer zu viel. Doch eine Überdramatisierung helfe auch niemandem weiter.