Essen. . Bezirksbeamte sind präsent, helfen bei kleinen Problemen und schlichten Streit. Sie gelten als Gesicht der Polizei, aber auch sie plagen Sorgen. 

Zwanzig kleine Augenpaare verfolgen gespannt jeden Schritt des uniformierten Mannes mit den drei Sternen auf der Schulter. Rüdiger Buers schleudert die seltsam verdrehten Sitze der Kinderschaukel über die Querstange und Jubel bricht aus. Die Kinder klatschen, quietschen entzückt, einige setzen zum Sprint an, um die ersten auf der wiederhergerichteten Schaukel zu sein. Die Polizei, dein Freund und Helfer – hier im Christinenpark in Rüttenscheid scheint der Spruch noch seine Gültigkeit zu haben.

„Wir sind wie der Dorfsheriff, den früher jeder kannte“, erzählt Werner Schroeter. Wie sein Kollege Rüdiger Buers ist er Bezirksbeamter in Rüttenscheid, 140 Hektar zählt sein Einsatzgebiet. Erste Aufgabe: Präsenz zeigen, als Ansprechpartner da sein, Ordnung schaffen bei kleinen Problemen, für die man nicht gleich die Polizei anrufen würde.

Früher Schlägereien geschlichtet, jetzt geht’s auch mal um Spielplatz-Schaukeln

Der 59-jährige Schroeter und der 56-jährige Buers sind beide 23 Jahre lang Streife gefahren, haben Schlägereien geschlichtet, Verkehrsunfälle aufgenommen, Betrunkene zur Räson gebracht. Jetzt sind sie zu Fuß unterwegs und kümmern sich vorrangig um falschparkende Autos, auf dem Gehweg düsende Fahrradfahrer – oder eben um verkehrt hängende Schaukeln auf dem Spielplatz.

Das Bild des Sheriffs beschreibt den Arbeitsalltag recht gut. Schroeter und Buers sind in Rüttenscheid weithin bekannt. Mit vielen Bürgern sind sie per Du, erkundigen sich nach der Gattin und verabreden sich auch mal abends auf ein Bier. Ein Sheriff spricht aber auch Klartext, wenn es nötig ist.

Als der Bürgersteig wieder blockiert ist, platzt Schroeter der Kragen

Auf einer Nebenstraße der „Rü“ platzt Schroeter an diesem Tag der Kragen. Vier Mal schon habe er bei der Baufirma angerufen, die hier einen Kran mitten auf dem Gehweg platziert hat, vier Mal habe sich nichts getan. Rollstuhlfahrer kämen weiterhin nicht vorbei.

Der herbeigerufene Lehrling verweist auf seinen Chef, der nicht erreichbar ist. Am Ende ist es „ein Wort unter Männern“ (Schroeter), das den Streit beilegt: Der Kran werde am nächsten Tag ordnungsgemäß geparkt, wird ihm versprochen. Ganz so harmonisch läuft es nicht immer. Beide Polizisten berichten von einem extremen Anstieg der Gewaltbereitschaft und klagen über mangelnden Respekt.

In seiner Jugend habe sich keiner ins Halteverbot gestellt, wenn ein Polizist danebenstand, sagt Schroeter. „Heute fangen die Leute an zu diskutieren.“ Buers formuliert es diplomatisch: „Mittlerweile legen viele das Gesetz individuell aus.“

Es gab immer schon Orte in Essen, wo sich kein Polizist alleine blicken lässt

Anderes hat sich nicht verändert, auch wenn das manche glauben. Heute wie früher gebe es in Essen Orte, wo sich kein Polizist allein blicken lasse. Bei Dealer-Treffs, Trinkerszenen und in bestimmten Kneipen gebe es eine Klientel, „die gern mal zuhaut“ (Buers). Aber: Anders als früher sei eine Reiberei nicht beendet, wenn der erste am Boden liegt: „Heute treten sie nochmal nach“, erzählt Schroeter.

Während Buers schon als Kind vom Polizeiberuf träumte, machte Schroeter zunächst eine Ausbildung zum Industriekaufmann. „War aber nichts für mich, ich wollte unter Menschen, wollte auf die Straße“, berichtet er. Unter Menschen ist man als Bezirkspolizist ohne Frage.

Dem alten Mann, der mit seinem Rollator an den Treppen zur Bahnunterführung scheitert, ist schnell geholfen. Weniger entzückt ist die junge Dame, die mit ihrem Fahrrad auf dem Fußgängerweg unterwegs ist und von Buers angehalten wird. Ein Gehweg sei eben kein Fahrradweg, meint er nach einem kurzen, aber eindringlichen Gespräch.

Muss man einschreiten, wenn ein Radler auf dem Gehweg fährt? „Ja, man muss“

Und doch drängt sich die Frage auf: Ist das nicht arg kleinlich? Muss man die Radfahrerin belehren, selbst wenn weit und breit kein Fußgänger in Sicht ist? Man muss, sagt Schroeter und argumentiert mit der Notwendigkeit, Autorität zu erhalten: „Wenn ich hier in Uniform unterwegs bin, dann kann ich die Frau nicht einfach fahren lassen.“

Was sich im Berufsalltag neben der zunehmenden Aggression noch verändert hat? Die Sondereinsätze hätten zugenommen und mit ihnen die Überstunden. Großdemos, Veranstaltungen und Fußballspiele – 230 Überstunden habe er bis dato angehäuft. Zugleich sei die heutige Bürokratie nicht mit früher zu vergleichen: „Es ist ein Papierwust ohne Ende geworden.“

Die Vielfalt macht die Attraktivität des Polizisten-Berufs aus

Doch beim Schwelgen in der Vergangenheit werden auch die kuriosesten Geschichten zutage befördert. Bei einem Einsatz habe er einmal eine meterlange australische Sumpfnatter in einem Pappkarton eingefangen - begafft von einem schaulustigen Publikum. Die beiden Polizisten lachen herzlich. Die Vielfalt sei es schließlich, die den Job so attraktiv mache.

Und das ist sicherlich auch der Grund, warum die Bezirksbeamten ihren Beruf „jederzeit“ (Buers) und „uneingeschränkt“ (Schroeter) wieder ergreifen würden. Einmal Traumjob, immer Traumjob.

Stipendiaten der Adenauer-Stiftung schreiben über Essen

Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Essen im Wandel – ein Blick von außen“. Sie wird von Stipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit der Essener Lokalredaktion gestaltet. Elf junge Journalisten, die aus ganz Deutschland kommen und bereits erste Berufserfahrungen gesammelt haben, verfassen in den nächsten Tagen und Wochen Berichte und Reportagen über Themen aus unserer Stadt. Die Redaktion wünscht viel Spaß beim Lesen!