Essen. . Projekt will kein Taxi spielen, sondern besondere Fahrten ermöglichen – zum Beispiel zu Schauplätzen der Kindheit. Für Altenheim-Bewohner gedacht.
- Eins der ersten „Grüne Hauptstadt“-Projekte will Umwelt- mit sozialen Aspekten verbinden
- Am Steuer sind Langzeit-Arbeitslose. Sie qualifizieren sich so für Jobs, etwa in der Seniorenbetreuung
- Fahrten sind ausschließlich den Bewohnern von Altenheimen vorbehalten
Sie haben die Idee aus Kopenhagen geklaut, Europas Fahrrad-Hauptstadt Nummer eins. Auch in Berlin läuft das Projekt schon erfolgreich. Aber so ein Ideen-Diebstahl ist manchmal eine gute Sache und, so sagte es Oberbürgermeister Thomas Kufen bei der offiziellen Vorstellung: „Eine Form von Anerkennung“. Und dieser Idee, so viel steht fest, gebührt davon reichlich.
Altenheim-Bewohner können sich ab sofort stadtweit von Elektro-Rikschas durch die Gegend fahren lassen. So können sie zum Beispiel Schauplätze ihrer Jugend aufsuchen. Das Radeln übernehmen ehemalige Langzeit-Arbeitslose, die durch den Job an der Pedale wieder eine Chance auf Dauerbeschäftigung erhalten sollen.
„Vor allem Zollverein und Margarethenhöhe gefragte Ziele“
Das Projekt, eins der ersten mit dem Signet der „Grünen Hauptstadt“, trägt den Titel „Radeln ohne Alter“. Beteiligt sind unter anderem Job-Center, Umweltamt und die Neue Arbeit der Diakonie Essen.
„Unsere Fahrer sollen keine Taxi-Dienste ersetzen“, sagt Projektleiter Karsten Schwanekamp (Neue Arbeit der Diakonie). Sondern Erlebnisse anbieten, die den Senioren sonst so nicht mehr möglich wären – oder, wie man bei dieser Maßnahme etwas poetisch sagt: Die Betagten sollen das Recht zurückbekommen, „den Wind in den Haaren zu spüren.“ Ausflüge ins Grüne oder auf den Wochenmarkt seien schon gemacht worden, aber „vor allem Zollverein und die Margarethenhöhe sind gefragte Ziele“, berichtet Rikscha-Fahrer Klaus Potocnik (58). Er ist einer von sieben Teilnehmern des Projekts, im April 2017 sollen weitere hinzukommen. Potocnik ist gelernter Zugmaschinenführer, hat Jahre im Ausland gearbeitet, „aber jetzt bin ich zu alt, sagt man mir überall.“
Teilnehmer erhalten Arbeitslosengeld-II-Bezüge plus 1,25 Euro
Heike Schupetta vom Job-Center erklärt, welche Chancen das Projekt bietet: „Es geht nicht nur ums Radfahren, sondern die Teilnehmer qualifizieren sich in Sachen Altenbetreuung, Organisation, Technik und auch in Sachen Ruhrgebiets-Tourismus.“ Das sind keine frommen Wünsche: Nach wenigen Wochen Rikscha-Fahrerei hat Potocnik bereits ein Vorstellungsgespräch im Terminkalender – ein Postdienstleister, dessen Mitarbeiter auf Elektro-Rädern unterwegs sind, hat ihn angesprochen. „Mal gucken, ob was draus wird“, sagt Potocnik.
UmweltschutzIst das Radeln nicht eigentlich anstrengend? „Man muss schon fit sein, aber es macht Spaß“, sagt er. Die Teilnehmer erhalten während der Maßnahme ihre vollen Arbeitslosengeld-II-Bezüge plus 1,25 Euro pro Stunde, haben außerdem Anspruch auf ein Sozialticket.
Für 23.000 Euro sind vier Elektro-Rikschas angeschafft worden, das Geld stammt aus Bundesmitteln, und einige der Rikschas sind so gebaut, dass auch Rollstuhlfahrer transportiert werden können. Berechtigt zu einer Fahrt durch Essen, Ziel nach Wunsch, sind ausschließlich die Bewohner von Essener Seniorenheimen. Untergebracht sind die Rikschas derzeit in der Nähe des Ehrenzeller Platzes in Altendorf.
2017 soll übrigens im Zuge des Projekts „Radeln ohne Alter“ die Elektromobilität in Essen weiter ausgebaut werden. Dazu soll in Altendorf, direkt an der Rheinischen-Bahn-Trasse, eine E-Bike-Station entstehen – am Niederfeldsee eine Verleih- und Servicestation.