Essen. Andreas Breuer, Medienberater für Essener Schulen, sagt: Manche Eltern lieferten ihre Kinder schutzlos neuen Medien aus.

  • Cyber-Mobbing wird trotz Aufklärung weiter zum Problem für Kinder, Familien und Schulen
  • Viele Schulen arbeiten mit völlig veralteten Konzepten
  • Dass selbst gedrehte Sex-Videos die Runde machten, sei „keine Seltenheit“

Wie reagieren Schulen auf Herausforderungen, die neue Medien wie Smartphones mit sich bringen? An der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck hat jetzt eine Projektwoche stattgefunden, bei dem der Experte Andreas Breuer auftrat, der im Auftrag des Alfred-Krupp-Medienzentrums die Essener Schulen berät. „Die Kinder werden mit den digitalen Entwicklungen allein gelassen“, kritisiert Breuer jene Eltern, die ihrem Kind ein Smartphone in die Hand drücken und sich dann nicht weiter kümmern. „Vielfach ist es schlichtweg Desinteresse, seine Kinder vor den digitalen Gefahren zu schützen.“

Breuer bekommt permanent haarsträubende Geschichten von Schulleitern aus dem gesamten Stadtgebiet zu hören. Diese Geschichten dokumentieren auch eine dramatische sexuelle Verwahrlosung und Verrohung: „Es gab eine Grundschule, an der hatte ein Drittklässler Sodomie-Pornos auf seinem Smartphone dabei.“ Oder den Fall eines Videos, das auf Schülerhandys herumging irgendwo in Essen: Ein Achtklässler hatte sich von einer Sechstklässlerin oral befriedigen lassen, das Ganze gefilmt und dann verbreitet. „Sex in Schülervideos, die verbreitet werden, sind überhaupt keine Seltenheit“, sagt Breuer.

Medien gehen die Schule auch an

Der Experte kritisiert Pädagogen, die so täten, als ginge das Thema Medien die Schulen nichts an: „Ich höre zum Beispiel an Grundschulen oft: Bevor wir uns um so etwas kümmern, sollen die Kinder erst mal Rechnen und Schreiben lernen“, sagt Breuer. „Ich verstehe zwar diese Einstellung, aber sie geht an der Realität vorbei.“ Es gebe schließlich genügend Haushalte, in denen Dreijährige mit Tablet-Geräten stundenlang „ruhig gestellt“ würden.

Ziel von weiterführenden Schulen müsse es sein, das Internet und auch eigene Geräte, die Schüler mitbringen dürfen, in den Unterricht einzubauen. Dafür aber benötigten die Schulen eine zeitgemäße, technische Ausstattung. Doch allein bei der Installation von W-Lan an Schulen hapert es vielerorts immer wieder – und das seit Jahren.

Cybermobbing ist Thema

Die Projektwoche an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule könnte daher Vorbild-Charakter haben. Eine ganze Woche lang beschäftigte sich der komplette siebte Jahrgang mit dem Thema „Medien“ – es gab Rollenspiele, die Schüler drehten Stop-Motion-Filme mit der Kamera und bauten mit dem Computerspiel „Minecraft“ das künftige Schulgebäude nach. Wie berichtet, erhält die Schule ein komplett neues Haus.

„Wir haben diese Art der Beschäftigung mit Medien während einer Projektwoche neu eingeführt – es geht darum, das kreative Potenzial der Schüler zu locken, doch es geht auch darum, den Schülern vorbeugend zu vermitteln, wie sie sich grundsätzlich schützen können“, erklärt Janina Weßling, Lehrerin an der Heinemann-Gesamtschule.

Der Bedarf ist da, denn „Cybermobbing“ grassiert seit Jahren – überall. Das liegt auch daran, dass Smartphones von immer jüngeren Kindern mit in die Schule gebracht werden. Fast alle Schulen verpflichten ihre Schüler zwar, die Geräte ausgeschaltet zu lassen, aber das löst das Problem nicht. Und: Es gibt Schulen ganz ohne Medienkonzept, wo noch so getan wird, als seien Handys bloß Mobiltelefone, ohne Kamera und ohne die tückischen Apps, die jedes Gerücht, jede üble Nachrede, Fotos, Videos in Windeseile verbreiten.

Für viele Fotos ist Erlaubnis nötig

Seit Jahren laden einige Essener Schulendaher Experten wie den Medienberater des Jugendamts, Andreas Ruff oder eben Andreas Breuer zu Elternabenden ein, oder diese klären Schüler direkt auf. „Viele wissen nicht“, sagt Ruff, „dass man nicht einfach ein Bild von einem anderen Menschen im Internet veröffentlichen darf“. Man brauche im Zweifel dafür ein schriftliches Einverständnis, „und bei Minderjährigen das der Eltern“. Dass manche Schüler somit oft gegen Gesetze verstoßen, ist wohl vielen der jungen Akteure gar nicht klar – und den Elternoft auch nicht.