Essen. Ex-Sozialdemokrat hat bei seinem „Hart aber fair“-Auftritt Freund und Feind bedient. Neben treffenden Beobachtungen zunehmend Übertreibungen.
- Guido Reil entsprach bei „Hart aber fair“ seiner Rolle als grantelnder, integrationskritischer Ruhrpöttler
- Zu den Beobachtungen, die zutreffen, gesellen sich bei ihm nun immer mehr Vorurteile und Übertreibungen
- Moderator Frank Plasberg ging nachsichtig mit dem früheren Sozialdemokraten und jetzigen AfD-Mann um
Ein Mann, eine Marke: Wenn im deutschen TV die Rolle des zornigen Ruhrpöttlers zu besetzen ist, der sich mit integrationskritischen Thesen durch die Sendung grantelt, dann führt an Guido Reil mittlerweile kaum noch ein Weg vorbei. Und der Bergmann aus Karnap enttäuschte auch am Montagabend bei Plasbergs „Hart aber fair“ in dieser Hinsicht nicht, wobei er im Kern immer noch dasselbe sagt, wie in jenem WAZ-Interview vom Januar dieses Jahres, mit dem seine mediale Karriere begann: „Wir schaffen die Integration der Flüchtlinge nicht.“
Der Essener Ratspolitiker - 26 Jahre SPD, jetzt AfD - ist allerdings anders als früher dazu übergangen, zutreffende Beobachtungen mit Vorurteilen und Übertreibungen zu vermengen. So lag es zwar nahe, dass Reil die aktuellen sexuellen Belästigungen beim Stadtfest „Essen Original“ und im Grugabad aufgriff, an denen nachgewiesenermaßen Flüchtlinge beteiligt waren. Auch die wachsende religiöse Aufladung der migrantischen Milieus und vormoderne Einstellungen etwa zur Geschlechterfrage müssen immer wieder kritisch thematisiert werden, selbst wenn es manchem wehtut. Wer Merkels Politik für grundfalsch hält, findet in solchen Fakten und Tendenzen zweifellos Munition.
Kritik und Zustimmung
Dass aber nun „in jedem Essener Supermarkt“ Wachmänner stünden, die auf diebische Flüchtlinge aufpassen, ist ebenso grob falsch wie die pauschale Behauptung, in den Siedlungen im Essener Norden funktioniere das Zusammenleben überhaupt nicht. Und dass Flüchtlingen „Rundum-sorglos-Pakete“ geschnürt würden, während der deutsche Rentner darben müsse, ist in der Tat „pure Propaganda“, wie Kanzleramtsminister Peter Altmaier dazwischenrief. Der Einfluss von Reils neuen AfD-Freunden macht sich hier bemerkbar.
Gleichwohl hat Guido Reil nach der Plasberg-Sendung in den Internet-Netzwerken und Debattenforen neben harscher Kritik auch wieder viel Zustimmung erhalten. „So ein bodenständiger Mensch tut der Runde ganz gut“, schreibt da beispielsweise eine Bochumerin, die in ihrer Freizeit Flüchtlingen hilft.
Reil ist ein Glücksfall für die AfD
Hilfreich für Reil war, dass der Moderator es vermied, ihn mit harten Fragen in Verlegenheit zu bringen, was leicht gewesen wäre. Denn der - wie er selbst sagt - „strotzsoziale“ Ex-Sozialdemokrat hat eines immer noch nicht gelernt: Dass es mit mehr oder weniger richtigen Thesen nicht getan ist, sondern ein ernstzunehmender Politiker Dinge durchdenken und Lösungswege aufzeigen muss.
Für die AfD allerdings ist einer wie Reil ein absoluter Glücksfall. Sein Markenkern vom ehrlichen, aufrechten Lokalpolitiker, der sich in der SPD aufrieb, wird zwar immer mehr zur Masche, lässt sich aber wohl noch eine Weile ausbeuten.