Essen. Urteil im Prozess nach dem tödlichen Unfall an der Franziskastraße in Rüttenscheid: Der 81-Jährige, der eine 27-Jährige beim Einparken tötete, wurde freigesprochen.
- Unfallfahrer ist nach Aussagen von drei Ärzten keine fahrlässige Tötung nachzuweisen.
- Mediziner: Herzkranker 81-Jähriger war kurz vor Unfall möglicherweise bewusstlos
- Unklar ist, ob sich der Rentner nach dem Fahrverbot wieder ans Steuer setzt
Fahrlässige Tötung ist ihm nicht nachzuweisen: Der Prozess gegen einen 81-Jährigen, der am 25. August 2015 an der Franziskastraße in Rüttenscheid beim Einbiegen in eine Parklücke eine 27-jährige Fußgängerin tötete, endete am Mittwoch mit Freispruch und weiteren sechs Monaten Fahrverbot. Es ist nicht auszuschließen, ergab die Beweisaufnahme, dass eine kurze Bewusstlosigkeit des Rentners zum Unfall geführt hat.
Denn der 81-Jährige ist herzkrank. Gleich drei Mediziner, sein Hausarzt und zwei Kardiologen des Elisabeth-Krankenhauses, die ihn nach dem Unfall behandelten, wurden am Mittwoch am zweiten Prozesstag vor dem Amtsgericht gehört. Ergebnis: Es würde zu seinem Krankheitsbild passen, dass der Rentner das Bewusstsein verlor. Ob es tatsächlich so war, kann mit Sicherheit niemand sagen. „Dazu hätte er beim Unfall an ein Langzeit- EKG angeschlossen sein müssen“, sagte der Leiter der Kardiologie, Dr. Oliver Bruder.
Seit Jahren wird der 81-Jährige kardiologisch betreut. Einen Grund, ihm das Autofahren zu verbieten, sah bis dahin kein Arzt. Im Elisabeth-Krankenhaus wurde er nach dem Unfall unter anderem durch das komplette technische Programm geschleust, das die Kardiologie zu bieten hat. Einen Herzinfarkt konnte man ausschließen. Aber es gab neue Erkenntnisse, die einen Defibrillator notwendig werden ließen. Das Gerät, das das Herz im Notfall neu starten kann, wurde dem Patienten eingesetzt. „Der Defi verhindert den Herztod. Eine Bewusstlosigkeit kann er nicht verhindern“, so Dr. Bruder.
Staatsanwältin erkennt kein Mitgefühl beim Angeklagten
In den Wochen vor dem Unfall habe er mehrfach unter Schwindelanfällen gelitten, berichtete der 81-Jährige. Hätte er nach den Anfällen sofort zum Arzt gehen müssen? Hätte er sofort aufs Autofahren verzichten müssen? Hat er seine Sorgfaltspflicht verletzt? „Nein“, sagt Dr. Bruder. „Schwindelanfälle kommen in der Altersgruppe unglaublich häufig vor. Es ist Teil des degenerativen Prozesses“, erklärte der Kardiologe. Das sei nicht unbedingt „ein Warnsignal“. Aber, man solle es schon „zeitnah“ abklären lassen.
Freispruch beantragte danach auch Staatsanwältin Janina Aksoy-Akin. Dem 81-Jährigen könne kein Vorwurf gemacht werden. Allerdings fehle ihr beim Unfallverursacher das Mitgefühl mit dem Opfer. In seinem Schlusswort versuchte der Rentner einen anderen Eindruck zu vermitteln: „Es tut mir so unendlich leid“, sagte er schwer atmend und kopfschüttelnd. „Ich kann es nicht rückgängig machen.“
Richterin: „Schicksalhaftes Ereignis“
Von einem „schicksalhaften Ereignis“ spricht Richterin Gazry Sostry im Urteil. Für die Familie sei es wohl besser zu ertragen, wenn jemand dafür verantwortlich zu machen sei, vermutet sie. Juristisch sei das in diesem Fall jedoch nicht möglich. Wird sich der 81-Jährige in einem halben Jahr wieder ans Steuer setzen? „Das ist im Moment nicht sein Thema“, sagt sein Verteidiger Dr. Carsten Engel.