Essen. Am ersten Tag des Prozesses zum tödlichen Unfall auf der Franziskastraße hat sich der Angeklagte (81) bei der Schwester des Todesopfers (27) entschuldigt.
- Erster Prozesstag nach tödlichem Unfall in Rüttenscheid: 81-Jähriger entschuldigt sich bei Schwester des Opfers
- Gutachter: Angeklagter hat nicht Brems- und Gaspedal verwechselt – er wollte zu spät einparken
- Verteidiger: Mandant soll zum Unfallzeitpunkt bewusstlos geworden sein – Ärzte sagen am Mittwoch aus
Selten war die Anteilnahme nach einem Unfall in Essen größer. Blumen und Kerzen am Unfallort in Rüttenscheid erinnerten viele Wochen lang an den Tod einer 27-jährigen Fußgängerin aus dem Stadtteil, die auf dem Gehweg an der Franziskastraße von einem Auto überfahren worden war. Es geschah fast genau vor einem Jahr, am 25. August 2015, um kurz nach 8 Uhr: Ein 80-jähriger Rentner, der nach seinen Runden im Rüttenscheider Schwimmbad zum regelmäßigen Termin bei seinem Hausarzt am Hotel Arosa einparken wollte, hatte die Kontrolle über seinen Opel Corsa verloren und war gegen die Hauswand gerast.
Seit Montag muss sich der Senior vor dem Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten.
Sachverständiger: Fahrer hat die Pedale nicht verwechselt
Hat der Mann Gas- und Bremspedal seines Automatikwagens verwechselt? Davon geht die Anklage aus. An die „wahnsinnige Geschwindigkeit“, mit der der Opel Corsa an jenem Morgen unvermittelt vor ihm ausgeschert sei, „in eine Lücke rein“, erinnert sich Zeuge Manuel Neukirchner vor Gericht. Der Wagen hatte dabei ein Verkehrsschild abgeknickt und war vor die „Wand geschossen“, so Neukirchner, der Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund.
Dekra-Sachverständiger Martin Kühn fasst den Eindruck des Unfallhergangs aus der Sicht des Unfallfahrers zusammen: „Es sieht danach aus: Ich habe eine Parklücke gesehen, bin eigentlich schon zu spät, aber will da noch rein.“ Viele Fragen hatten die Prozessbeteiligten an Kühn. Die Verwechslung der Pedale, sagt er, kommt nicht in Frage: „Dazu müsste er schneller gewesen sein. Und dazu passen die Lenkbewegungen nicht“, weiß der Sachverständige. Ganz sicher ist: „Er war zu schnell für einen Einparkvorgang.“ Mit etwa 20 km/h prallte der Angeklagte mit dem Kleinwagen vor die Wand.
Fahrer kann sich „nicht konkret an Unfallhergang erinnern“
Verteidiger Dr. Carsten Engel bleibt indes bei seiner Überzeugung, dass sein herzkranker Mandant zum Unfallzeitpunkt plötzlich bewusstlos geworden sei. Wie reagiert der Körper bei Bewusstlosigkeit am Steuer? Welche Kräfte könnte er noch entwickeln?, möchte Richterin Gaury Sastry nun wissen. Drei Ärzte, die für den kommenden Prozesstag am Mittwoch geladen sind, können dazu womöglich etwas sagen. Sie werden zum Gesundheitszustand des Angeklagten befragt.
Der Rentner kann sich nach eigenen Angaben nicht „konkret an den Unfallhergang“ erinnern. Inzwischen habe sich der 81-Jährige einen Defibrillator einsetzen lassen, der in Zukunft Ohnmachtsanfälle verhindern soll, so der Anwalt.
Verteidiger lässt keine Fragen an den Angeklagten zu
Und: „Jetzt ist erst Mal Schluss mit Autofahren“, sagt Verteidiger Engel. Ein Arzt habe ihm zuvor noch niemals gesagt, dass er nicht mehr Autofahren soll, behauptet der Angeklagte. An jenem Morgen nach seinem Besuch im Schwimmbad „fühlte er sich gut“, berichtet sein Verteidiger. Engel möchte nicht, dass seinem Mandanten Fragen gestellt werden. Er begründet: „Er schwankt zwischen Tatsachen und Schlussfolgerungen hin und her.“
An Gespräche, die er unter anderem mit Zeuginnen am Unfallort geführt haben soll, kann der 81-Jährige sich angeblich ebenfalls nicht mehr erinnern. Erschreckt sei er gewesen, erinnern sich Zeugen. „Erschrocken“ waren aber auch einige Zeugen durch die womöglich verwirrten Reaktionen des Unfallfahrers. „Mir geht es gut“, soll er beteuert haben und sich nicht wesentlich für den Tod der Fußgängerin interessiert haben. Vielmehr soll er mehrfach danach gefragt gaben, wann er denn fahren könne und wann er seinen Führerschein zurück erhalte.
„Ich war erschüttert von seinem Verhalten“
Außerdem: Seine Tageszeitung, die im Wagen liege, möge man ihm doch bitte geben. „Ich war erschüttert von seinem Verhalten“, erinnert sich eine 29-jährige Polizistin als Zeugin vor Gericht.
Inzwischen scheint der Angeklagte das Ausmaß des Geschehens verstanden zu haben. Er entschuldigte sich eindringlich bei der Schwester der 27-Jährigen, die als Nebenklägerin aus der italienischen Heimat nach Essen gekommen war.