Essen. . Der Burkini ist ein Reizthema, aber in Essener Bädern kein Ärgernis. Weitaus problematischer sind Ganzkörperanzüge „Marke Eigenbau“ – und Unterhosen.
- Der Burkini ist ein Reizthema, aber in Essener Bädern erlaubt und nicht mal ein Ärgernis
- Weitaus problematischer sind Ganzkörperanzüge der „Marke Eigenbau“ – und Unterhosen
- Die wichtigste Regel im Schwimmbecken: Bitte nicht mit Alltagskleidung ins Wasser gehen
Deutschland debattiert aufgeregt über das Burka-Verbot, unterdessen verbannen französische Bürgermeister Burkini-Frauen von den Stränden. Und wie verhalten sich die Essener Freibäder in dieser ideologisch aufgeheizten Textilfrage?
Die WAZ fragte nach bei den städtischen Bäderbetrieben – und bei einem, der selbst am Beckenrand steht: Sven Prochnow, Leiter des von Ruwa Dellwig betriebenen Hesse-Bades.
Burkinis sind in Essen erlaubt
„Ein Burkini-Verbot gibt es in unseren Frei- und Hallenbädern ausdrücklich nicht“, betont eine Stadtsprecherin. Vor zwei, drei Jahren seien muslimische Frauen in dem mehrteiligen Schwimmanzug noch sehr selten anzutreffen gewesen. „Aber inzwischen kommt der Burkini häufiger vor“, fügt sie hinzu. Nur eine Momentaufnahme aus dem Dellwiger Bad: „In den letzten wärmeren Tagen hatten wir drei Frauen in Burkini zu Gast“, berichtet Sven Prochnow.
Burkini ist nicht gleich Burkini
Das Aufsichtspersonal hat keinen einfachen Stand, denn Burkini ist längst nicht Burkini. „Manchmal müssen wir drei Mal hinschauen, um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um einen zugelassenen Burkini handelt“, gesteht Prochnow. Namhafte Bademoden-Hersteller wie Speedo haben den Burkini längst in ihrem Sortiment. Der dreiteilige Ganzkörperanzug mit ablösbarer Kapuze, Oberteil und Hose – geeignet für Strand und Pool – besteht aus 80 Prozent Nylon/Polyamid und 20 Prozent Elastan. Allerdings geht die Anschaffung ordentlich ins Geld. Der Speedo-Burkini kostet knapp 100 Euro. Zunehmend beliebter werden preiswertere Türkei-Importe.
Nicht geduldete Alternativen
Um Geld zu sparen, komponieren muslimische Frauen gerne eine eigenen Stil der Ganzkörperbekleidung. „Oft wird dann dünne und preiswerte Synthetik-Sportkleidung vom Discounter getragen“, erläutert Prochnow. Nur hat die Sache meistens einen Haken. „Wir erlauben diese Kleidung in Schwimmbecken nicht, genauso wenig übrigens wie Fußballtrikots, Fahrradhosen oder Laufhosen.“ Um die Badegäste, insbesondere Flüchtlinge und Einwanderer, ausführlich und anschaulich über Baderegeln zu informieren, gibt es neuerdings bebilderte Aushänge in den Bädern. Dort steht zum Beispiel: „Keine Alltagskleidung im Schwimmbad.“ Nach Angaben der Bäderbetriebe gab es in letzter Zeit nur zwei bis drei Fälle, in denen Frauen in Alltagskleidung aus dem Becken geholt wurden.
Der Jammer mit der Grauzone
Nylon, Polyamid, Elastan, Synthetik oder doch Baumwolle? Um herauszufinden, ob eine muslimische Frau Verbotenes trägt, müsste die Aufsicht ihr buchstäblich an die Wäsche gehen. Aber was ist, wenn gerade kein weibliches Personal im Dienst ist? Darf eine männliche Aufsicht den Stoff einer muslimischen Frau abtasten? Einer von vielen Grenzfällen, betont Sven Prochnow, der hinzufügt: „Letzten Endes wollen wir unseren Gästen den Spaß in unserem Bad nicht nehmen.“
Kulturkampf am Beckenrand
Gerade an heißen Tagen prallen in Freibädern Welten aufeinander. Die Einheimischen wollen an der frischen Luft eine unbeschwerte Zeit genießen und nach Möglichkeit so viel Haut wie möglich zeigen. Andere tun das exakte Gegenteil und wollen so viel Haut wie möglich bedeckt halten. Einheimische Badegäste reagieren auf Burkini-Frauen im Schwimmbecken durchweg gereizt und alarmieren – oft auch aus Unkenntnis – die Schwimmmeister.
Das No Go: Unter- statt Badehose
Die Bäderbetriebe sprechen von einem neuartigen Phänomen bei männlichen Badegästen: die Unterhose bzw. der Baumwoll-Slip als Alternative zur klassischen Badehose, häufig in Kombination mit einem vollgeschwitzten T-Shirt. „Die meisten Badegäste empfinden das im Schwimmbecken zurecht als widerlich“, erläutert Sven Prochnow.
Nach Auskunft der Bäderbetriebe habe es „ein halbes Dutzend Fälle“ gegeben, in denen das Badpersonal die Schwimmer aus den Becken holen musste. „Es war mühsam, den Gästen die Baderegeln zu erklären, aber am Ende zeigten sie sich einsichtig.