Bilderpaare: Essens nördliche Innenstadt früher und heute
•
Lesezeit: 4 Minuten
Essen. Die Familie Brecklinghaus ist seit 1907 in der nördlichen Innenstadt ansässig. Wir warfen einen Blick ins Fotoalbum.
Wenn es eine Familie gibt, die vom Auf und Ab der nördlichen Innenstadt berichten kann, dann ist das die Familie Brecklinghaus. Seit 1907 verkaufen sie dort Lederwaren, haben die guten Zeiten erlebt, als die Stadt vom Wachstum der Industrie profitierte, und die schlechten, als bittere Arbeitslosigkeit herrschte und Essen im Bombenkrieg in Schutt und Asche fiel. Wiederaufbau und Wirtschaftswunder sind ebenso in den Annalen der Familie verewigt wie der lange Niedergang der Nordcity, der in den 1970er Jahren begann und eigentlich erst vor einigen Jahren zum Stillstand kam.
Drei Generationen Brecklinghaus haben all das nicht nur erlebt, erlitten und mitgestaltet, sondern den baulichen Wandel des Quartiers rund um Viehofer Straße und Pferdemarkt auch fotografiert. Wir durften einen Blick ins Familienalbum werfen und zeigen hier die schönsten Bilder, die teils noch nie veröffentlicht wurden. Einige haben wir mit aktuellen Aufnahmen an gleicher Stelle kontrastiert. Damals und heute – es ist immer wieder verblüffend, oft auch einfach nur traurig, wie dieser Teil der Stadt sich verändert hat:
Mit den kleinen Häusern verschwanden auch alte Gassen
Man kennt es von den bekannten Fotos, und auch die Brecklinghaus-Bilder belegen es: Noch bis zum Zweiten Weltkrieg hatte die nördliche Innenstadt vielfach ein kleinstädtisches Gepräge. Es gab zahlreiche uralte, schiefergetäfelte Häuschen auf Parzellen, deren winzige Zuschnitte aus dem Mittelalter stammten. Zwar war die Stadt bemüht, im Fall von Abrissen Grundstücke zusammenzulegen und so großstädtische Hausformen zu etablieren, doch war dies längst nicht überall gelungen.
Ein je nach Sichtweise bizarr oder gemütlich anmutender Flickenteppich war die Folge. Die flächendeckende Kriegszerstörung bot dann die Chance umfassender Neuordnungen. Mit den kleinen Häusern verschwanden auch alte Gassen, die ärmliche Enge wich der Großzügigkeit. Ob die nördliche Altstadt dadurch schöner wurde, ist eine andere Frage.
Schon immer war hier das Quartier der kleinen Leute, die Gegend um den Webermarkt teilweise auch bitterarm. Großbürger, Adelige und Kaufleute lebten hingegen eher im Süden in der Nähe des Burgplatzes und rund um die Marktkirche, den zwei Machtzentren im alten Essen.
Solche Prägungen wirken manchmal bis in die Gegenwart, was nicht heißt, dass man im Norden nicht geschäftlich Erfolg haben konnte. Das haben die Brecklinghaus bewiesen, die an der unteren Viehofer Straße die Stellung hielten. „Eigentum verlässt man nicht so schnell“, sagt Gerd Brecklinghaus, der heutige Chef des Lederwarenhandels.
Er ist im obersten Geschoss des heutigen Geschäftshauses aufgewachsen, an der Gertrudiskirche gegenüber in den Kindergarten gegangen, hat dann eine jetzt nicht mehr existierende Grundschule in der Nähe besucht und später am Burggymnasium sein Abitur gemacht. „In der nördlichen Innenstadt lebten in meiner Kindheit ganz normale Leute“, sagt der 47-Jährige.
Nördliche Innenstadt bleibt schwieriges Pflaster
Die Zeiten wurden dann schwieriger und dass sie halbwegs erträglich blieben, ist auch seinem Vater Eberhard Brecklinghaus zu verdanken, der lange der „IG nördliche Innenstadt“ vorstand. Stets forderte der Senior von der Stadt, die Viertel nördlich der Marktkirche nicht zu vergessen, was nötig war, denn diese Tendenzen gab es.
Zwiespältig ist die Lage bis heute: Brecklinghaus kann von seinem Laden aus zwei Entwicklungen beobachten, die gegenläufiger nicht sein könnten: den offenen Drogenmarkt an der Gertrudiskirche und kaum hundert Meter weiter das Wachsen der Kastanienhöfe, des Allbau-Projekts rund um die Kreuzeskirche. Die nördliche Innenstadt bleibt ein schwieriges Pflaster.
So sah die nördliche Essener Innenstadt früher aus
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.