Essen. . MyTaxi wird der bislang mächtigen Essener Taxi-Zentrale offenbar zu gefährlich. Taxi-Besitzer, die „fremdgehen“, sollen an die Kette gelegt werden.
- Die Taxi-App MyTaxi droht der Zentrale Taxi Essen mit Klage
- Grund sind neue Verträge, die Fahrern das Fahren für MyTaxi verbieten sollen
- Taxi Essen will es auf den Rechtsstreit ankommen lassen
Im ohnehin schwierigen Taxi-Geschäft in Essen wird die Gangart ruppiger: Die seit einiger Zeit auch in Essen aktive Taxi-App MyTaxi droht der größten Taxizentrale der Stadt, Taxi Essen, mit Klage. Anlass sind zwei Vertragsklauseln, die Taxi Essen derzeit einem Teil der angeschlossenen Unternehmen und deren Fahrern diktieren will. Nach Ansicht von MyTaxi dienen sie dazu, Druck auf Taxifahrer auszuüben, die auch für MyTaxi unterwegs sind. Dem unliebsamen Wettbewerber soll so offenbar das Leben schwer gemacht werden. MyTaxi hat Taxi Essen daher bis Freitag eine Frist gesetzt, die umstrittenen Klauseln zurückzunehmen. Sie seien rechtswidrig, heißt es.
Taxi Essen will künftig Unternehmern und Fahrern mit Plus-Verträgen vorschreiben, dass sie von anderen Zentralen keine Aufträge mehr annehmen dürfen. Das Zusatzblatt, das Fahrer bis Ende des Monats unterschreiben sollen, liegt dieser Zeitung vor. MyTaxi ist dort zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber der Passus zielt nach Meinung Betroffener insbesondere auf die App.
Auschluss von Plus-Kundenaufträgen
Wer nicht unterschreibt, wird künftig von Plus-Kundenaufträgen ausgeschlossen. Mit dem Zusatz „Plus-Taxi“ wirbt Taxi Essen bei Kunden mit besonderen Serviceleistungen. Dazu zählen ein gepflegtes Auto, Abholdienst etc. „Über Plus bekommt man bessere Fahrten, zum Beispiel von Krankenhäusern und Firmen“, bestätigt eine Taxi-Fahrerin.
Viele der Plus-Fahrer stehen offenbar aber auch bei MyTaxi unter Vertrag, weil die App auf ähnliche Qualitätsmerkmale Wert legt. Wie viele Taxen in Essen für MyTaxi unterwegs sind, darüber gibt das Hamburger Unternehmen keine Auskunft. Um die 100, so schätzt man, dürften es allein bei den Taxi-Genossen sein. Michael Rosmanek, Vorstandschef bei Taxi Essen, will es deshalb auf einen Rechtsstreit mit dem Internet-Wettbewerber ankommen lassen – nach dem Motto, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Eine Unterlassung werde man nicht abgeben.
Gericht kippt Doppelfunk-Verbot
Nach der geltenden Rechtsprechung stünden die Chancen für MyTaxi wohl aber recht gut. So genannte Doppelfunk-Verbote, die Zentralen ihren Mitgliedern aufzwingen wollten, haben Gerichte gekippt – zuletzt in Nürnberg. Im Fall von Taxi Essen ist die spannende Frage, ob das auch gilt, wenn die Zentrale ihre Fahrer lediglich von bestimmten Aufträgen ausschließt. Rosmanek verteidigt das resolute Vorgehen: „Die Unternehmer und deren Fahrer unterlaufen die Solidarität der Genossenschaft. Sie greifen deren Existenz an.“
Adnan Songör ist Unternehmer bei Taxi Essen und fährt auch für MyTaxi. Er weigert sich, den Vertrag zu unterschreiben und wirft im Gegenzug der Genossenschaft vor, seine Existenz zu gefährden. MyTaxi ist für ihn ein wichtiger Umsatzgarant. „Über die App erhalte ich teils deutlich lukrativere Aufträge als über Taxi Essen“, sagt er. Etwa ein Drittel verdient Songör mit Aufträgen aus der Zentrale, ein Drittel über MyTaxi, den Rest mit eigenen Kunden. In manchen Monaten liege der Anteil von MyTaxi aber schon bei 50 Prozent und darüber.
Taxi-Genossenschaft: Mitgliedschaft für einen Festbetrag pro Jahr
Gerade technikaffine Geschäftsreisende nutzen vermehrt die App. Auf das Internet-Geschäft verzichten will Songör nicht. Denn für ihn steht fest: Würde er sich dem Diktat unterwerfen, dann wäre die Konkurrenz der Gewinner und nicht etwa Taxi Essen. „Ich bin Unternehmer und lasse mir nicht vorschreiben, wie ich zu fahren habe“, sagt Songör.
Für Taxi-Unternehmer bringt die App nicht nur zusätzliche Auslastung, sie hat auch einen entscheidenden Vorteil: Sie zahlen eine Vermittlungspauschale abhängig vom Umsatz nur dann, wenn sie tatsächlich eine Fahrt vermittelt bekommen. Bei der Taxi-Genossenschaft kostet die Mitgliedschaft dagegen einen Festbetrag pro Jahr – egal, wie viel Umsatz die vermittelten Fahrten einbringen. Eine Konstruktion, die der Genossenschaft offenbar wenig Anreiz gibt, mehr Kundenakquise zu betreiben. Mehrere Fahrer haben sich im Gespräch mit dieser Zeitung darüber beklagt, dass die Taxigenossenschaft zu wenig für die Neukundengewinnung tue. Andere, kleinere Zentralen seien da umtriebiger.
Aufträge gehen zurück
Die Unzufriedenheit ist aber nicht nur Ausdruck interner Querelen bei Taxi Essen sondern zeigt, wie hart der Überlebenskampf in der Branche ist. Seit der Erhöhung der Tarife wegen des Mindestlohnes sei das Geschäft eingebrochen, beklagen alle Befragten. Zu wenige Aufträge für zu viele Taxen. Rosmanek kündigt daher an, dass sich die Taxi-Genossenschaft künftig deutlich verkleinern will. Das jetzige Vorgehen dürfte den Plan beschleunigen helfen.