Essen-Moltkeviertel. . Seit wenigen Wochen läuft die Verfüllung der 650 Meter langen Anlage am Moltkeplatz: Wir durften noch einmal herein, ehe sie für immer Geschichte ist.
Es riecht modrig, die Arbeitsstiefel versinken zentimetertief im Matsch. Je tiefer es hineingeht in den schummrig beleuchteten Bunker, umso kühler wird die Luft. Eine gewisse Beklemmung macht sich breit, in den engen Betonröhren neun Meter unterhalb der Moltkestraße. Ein Gefühl, wohl nicht ansatzweise zu vergleichen mit dem, das die Menschen hier vor über 70 Jahren erlebt haben, als die Bomben an manchen Tagen zu Tausenden auf die Stadt niedergingen.
Bernhard Wunderlich gehen solche Gedanken manchmal auch durch den Kopf. „Das ist etwas anderes, als einen Bergbaustollen zu verfüllen. Aber man darf da nicht zu viel drüber nachdenken“, sagt der bergtechnische Sachverständige, der mit der notwendigen technischen Nüchternheit an das Projekt herangeht: „Da unten gibt es außer Dreck, Beton und jeder Menge Wasser nicht viel zu sehen“, sagt Wunderlich, der mit Lampe und Mehrfach-Messgerät voranschreitet. Das Gerät ermittelt Schadstoffe in der Luft, prüft beispielsweise den CO2-Gehalt. „Jeder Bunker ist für uns erst einmal wie eine Black Box. Da unten können leicht Gase entstehen, die man gar nicht wahrnimmt. Deswegen ist es lebensgefährlich, sie illegal zu betreten“, weiß Bernhard Wunderlich, der für die Bauabteilung der Oberfinanzdirektion (OFD) NRW tätig ist.
650 Meter langes Tunnelsystem ist undicht
Immer wieder tropft es von der etwas über zwei Meter hohen Decke, die Ablagerungen vergangener Jahrzehnte wachsen als gelbliche Stalaktiten aus dem Beton (zur Bildergalerie). „Bei starken Niederschlägen ist das hier unten wie im Regenwald. Deswegen ist es auch notwendig geworden, den Bunker zu verfüllen: Er ist undicht und dadurch nicht mehr standsicher“, sagt Bernhard Wunderlich, der das gesamte Projekt gemeinsam mit Bauleiter Ulrich Reckinger etwa ein Jahr vorbereitete.
Dabei geht das Team immer Schritt für Schritt vor, hat das 650 Meter lange Tunnelsystem in verschiedene Abschnitte unterteilt: „Wir mauern einzelne Kammern zu und leiten anschließend eine Mischung aus Kalksandstein, Zement, und Wasser als Baustoff ein. Durch dieses aufwendigere Verfahren sind die Beeinträchtigungen über Tage so gering wie möglich“, erklärt Ulrich Reckinger das Procedere: „Normalerweise werden oberirdisch die Löcher zur Verfüllung gebohrt, wie man das von einem Tagesbruch kennt. Dann aber hätten wir die Moltkestraße sperren müssen und es wäre hier auch deutlich lauter für die Nachbarschaft geworden.“ Noch etwas über zwei Wochen, schätzt Ulrich Reckinger, dann wird der Bunker wohl für immer Geschichte sein.
Stollenbunker in Essen
Zwischen tiefen Pfützen und grobem Schotter finden sich partiell noch Schienenstränge, über die der Bunker früher wohl erschlossen wurde. 1943 war er für den Schutz von 3000 Menschen gebaut worden, an deren Ängste nichts mehr erinnert in den endlos erscheinenden dunklen Gängen.
Material lässt sich entfernen
„Wir können heute nicht mehr rekonstruieren, wo früher was war“, sagt Bernhard Wunderlich, dessen Arbeitgeber bundesweit 400 Bunkeranlagen betreut. Jene im Moltkeviertel zu erhalten, sei unbezahlbar, weiß Wunderlich: „Aber wenn das in 100 Jahren ein Denkmal werden soll und jemand genug Geld mitbringt, lässt sich der Bunker auch wieder öffnen. Das verwendete Baumaterial sichert zwar die Standfestigkeit, kann aber mit einfachen Mitteln wieder entfernt werden.“