Essen-Rüttenscheid. . Das Jugendhilfswerk „Dein Kult e.V.“ hat im Autohaus Brüne eine Gastronomie eröffnet. Der Vereinsgründer hat selbst eine bewegende Vergangenheit.
Mit „Dein Kult“ hat inmitten des Showrooms von Autohaus Brüne dieser Tage ein Sozial-Café eröffnet, dessen Entstehungsgeschichte noch bemerkenswerter ist als sein ungewöhnlicher Standort. Mit ihrem Jugendhilfswerk „Dein Kult e.V.“ geben Eyyüphan Duy und seine Ehefrau Neslihan jungen Menschen eine Chance, deren Zukunft zum Scheitern verurteilt war. Eyyüphan Duy weiß dabei aus leidvoller Erfahrung, wie wichtig Bildung und die Unterstützung des Elternhauses sind: Sie blieben ihm ebenso verwehrt wie den meisten Jugendlichen, denen er heute hilft.
Im Alter von zwei Monaten kommt er 1967 aus einem kleinen Dorf in der Türkei als Gastarbeiterkind nach Deutschland, wächst in Duisburg-Hamborn auf. Er erlebt den klassischen Kulturen-Konflikt, an dem er schließlich zerbrechen wird: „In der Grundschule blieb lange unbemerkt, dass ich Legastheniker bin. Mein Vater dachte, ich sei dumm“, erinnert sich Duy, der die häusliche Gewalt auf dem Schulhof selbst weitergibt.
Die patriarchalischen Strukturen seines Elternhauses stehen ihm ein weiteres Mal im Weg, als er Mitte der 1980er-Jahre eine Karriere im Breakdance anstrebt. Eyyüphan Duy ist gut. So gut, dass er sogar mit den Legenden Herbie Hancock und Harry Belafonte auf einer Bühne in der Westfalenhalle steht. Seinen Vater interessieren die Erfolge herzlich wenig. „Schwul“ sei die Tanzerei und gehöre sich nicht, befindet das Familienoberhaupt, der das jüngste seiner sechs Kinder lieber mit einer Türkin verheiratet sehen will.
„Zum Glück war ich schon clean, als ich ins Gefängnis kam“
„Ich wollte das nie: Eine Frau heiraten, die ich überhaupt nicht kenne. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, habe schon damals deutsch geträumt und gelebt“, sagt Duy, der sich am Ende seinem Schicksal fügt und schon mit 20 Jahren Vater wird. Viele Bürden und Entbehrungen für den jungen Mann, der sich schnell in die Welt der Drogen flüchtet: „Anfangs habe ich Marihuana geraucht, später kamen Kokain und Heroin hinzu – und damit auch die Beschaffungskriminalität“, erzählt Duy. Am 30. Juli 1991 – das Datum hat sich in sein Gedächtnis eingebrannt – klicken die Handschellen.
Neun Monate Untersuchungshaft in Duisburg folgen, dreieinhalb Jahre Haftstrafe verbüßt Eyyüphan Duy insgesamt. „Zum Glück war ich schon clean, als ich ins Gefängnis kam. Dort hatte ich eine Menge Zeit zum Nachdenken, wie ich mein Leben neu ordne“, sagt der heute 48-Jährige, der – wieder auf freiem Fuß – zunächst als Tellerwäscher in Bonn erste Schritte in der Gastronomie wagt.
„Als Ex-Knacki standen mir nicht alle Türen offen“, sagt Duy, der hart an sich arbeitet, später sogar für Helmut Kohl und Theo Waigel kocht. „Mein damaliger Chef hat mir viel Selbstvertrauen gegeben und mich gefördert. Das war wegweisend für mich“, sagt Duy, der sich im Centro Oberhausen selbstständig macht. Dort ist er nicht nur erfolgreich – er lernt endlich auch die Liebe seines Lebens kennen, nachdem die arrangierte Ehe lange gescheitert war: Mit seiner Frau Neslihan Duy gründet er im Jahr 2000 die Systemgastronomie „Efendy“. Die beiden bauen das Konzept aus, beschäftigen zeitweise 350 Mitarbeiter in acht Restaurants. Ein gesundheitlicher Zusammenbruch 2007 führt dazu, dass Duy die Bremse zieht. „Wir haben unsere Restaurants verkauft und den Entschluss gefasst, unsere Energie in ein Jugendhilfswerk zu stecken“, sagt Duy, der schon 25 jungen Menschen erfolgreich eine Perspektive gegeben hat.
Prominente Unterstützung von Wolf Codera und Bülent Aris
Für ihr neues Projekt in Rüttenscheid wissen die beiden viele Unterstützer hinter sich: Marco Muscheika, der das Autohaus Brüne im vergangenen Jahr mit Joachim Tünnesen übernahm, stellte die Fläche des Autohauses für das Café kostenlos zur Verfügung. Auch Musiker Wolf Codera, der in der Nachbarschaft lebt, unterstützt den Verein schon lange, etwa bei seinen Benefizkonzerten. Gemeinsam mit dem Musikproduzenten Bülent Aris plant er aktuell ein Konzert in Essen, deren Erlöse auch dem Jugendhilfswerk zu Gute kommen sollen.
Kult-Autowäsche und Öffnungszeiten
Das Café an der Rüttenscheider Straße 325-327 ist täglich von 8 bis 23 Uhr, sonntags von 9 bis 23 Uhr geöffnet. Neben Eis, Kaffee und Kuchen werden auch Snacks wie Börek angeboten.
Zum Café gehört auch eine Auto-Waschstraße, die von einem der beschäftigten Jugendlichen mitbetrieben wird. Der Reingewinn fließt komplett in die Arbeit des Jugendhilfswerks.