Essen. . Drei Jugendliche aus dem Ruhrgebiet haben jetzt die Anklage für den Anschlag auf den Essener Sikh-Tempel erhalten. Sie lautet auf versuchten Mord.
Eine schreckliche Tat haben sie zu verantworten, die Tempelbomber von Essen. Aber die auf versuchten Mord lautende Anklage, die ihnen jetzt zugestellt wurde, zeigt auch die innere Zerrissenheit der 16 und 17 Jahre alten Beschuldigten. Von den Tränen ihrer Eltern ließen sie sich beeindrucken, nachdem sie diesen den Bombenanschlag auf den Essener Sikh-Tempel vom 16. April 2016 gestanden hatten. Der 60 Jahre alte Priester der Sikh-Gemeinde war dabei schwer verletzt worden.
Den Dschihad, den aus islamistischer Sicht „Heiligen Krieg“, hatten sie führen wollen, aber direkte Verbindungen zur Terrorgruppe „Islamischer Staat“ weist die Anklage ihnen nicht nach. Das mag mit ein Grund sein, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet bislang nicht übernommen hat. Folgerichtig hat Staatsanwältin Birgit Jürgens die Anklage auch nicht beim Staatsschutzsenat in Düsseldorf eingereicht, sondern bei der Jugendstrafkammer am Landgericht Essen.
Frauenfeindlichkeit und islamistische Sprüche
Auffällig waren alle drei. Yusuf T. (16) aus Gelsenkirchen mit türkischen Wurzeln gilt als Anführer des Trios, als der „Amir“. Häufig hatte er die Schule wechseln müssen, kam vom Gymnasium in Gelsenkirchen zur Realschule in Essen, wo er mit Feuerwerkskörpern auffiel, aber auch durch gewalttätiges Verhalten. Seine Mitschüler sprechen von Frauenfeindlichkeit und von islamistischen Sprüchen. Zum Schluss flog er wieder von der Schule, kam an eine Realschule in Gelsenkirchen.
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Etwa ab Frühling 2014 begann laut Staatsanwaltschaft die Radikalisierung von Yusuf T., der sich fast nur noch mit dem Islam beschäftigte. Mittlerweile ist der 16-Jährige auch von einem Imam in Hannover mit einer jungen Hagenerin nach islamischem Recht verheiratet worden. Offenbar kein glückliches Ereignis, denn die Ermittler erfuhren, dass die Eltern von Braut und Bräutigam nichts von dieser Hochzeit wussten.
Mohamad B. (16) aus Essen-Borbeck ist Türke, hat aber libanesische Wurzeln. Auch er musste die Schule wechseln, zeigte sich sozial auffällig und ging sogar Lehrerinnen körperlich an. Wie bei Yusuf T. hatte auch bei ihm die Strafjustiz bereits reagiert.
„Mein Vater hat geweint, Alter“
Der Schermbecker Tolga I. (17) ist ebenfalls ein Schulverweigerer, der wechseln musste. Auch er hat türkische Wurzeln. Seine Eltern trennten sich 2012 in einem „Rosenkrieg“, seine Mutter ist mittlerweile mit einem pensionierten deutschen Lehrer zusammen. Auch er ist nach islamischem Recht in Hannover verheiratet worden.
Wie und wann genau dieses Trio sich kennenlernte, das wissen die Ermittler nicht. Klar ist aber, dass es über Facebook geschah und die drei sich gegenseitig anstachelten. Der Islam, oder das, was sie darunter verstanden, war offenbar der Rettungsanker für ihr verkorkstes Leben. Sie gaben sich Regeln, unterschrieben brav Protokolle über ihre geplanten Aktivitäten. Auch die Wahl des Sikh-Tempels als Gotteshaus der „Ungläubigen“ trafen sie gemeinsam. Der Grund: Die Sikhs massakrierten angeblich in Indien Muslime. Dass sie in ihren Chats schon mal Buddhisten und Hindus verwechselten, erlaubt einen Blick auf ihr Wissen.
Nach der Tat wurde der Fahndungsdruck so groß, dass sie per Textnachrichten darüber diskutierten, sich zu stellen. Die Angst vor dem Knast war groß: Mindestens fünf Jahre hätten sie zu erwarten. Und von ihren Eltern zeigten sie sich beeindruckt, belegen die Chat-Protokolle: „Mein Vater hat geweint, Alter.“ „Meine Mutter auch.“ Vier Tage nach dem Anschlag ging Yusuf T. mit seinem Vater zur Polizei und stellte sich.