Essen. Ein Mädchen (9), das laut Anklage von ihrem Betreuer in einem Essener Jugendzentrum missbraucht wurde, muss sich jetzt einem Glaubwürdigkeitsgutachter stellen.

  • Laut Anklage soll ein 18 Jahre alter Betreuer ein Mädchen (9) im Jugendzentrum missbraucht haben
  • Prozess ist nun geplatzt, weil Strafkammer nun doch Glaubwürdigkeitsgutachten für die minderjährige Zeugin will
  • Damit kommen auf das Mädchen weitere Vernehmungen zu

Der Prozess um den mutmaßlichen Missbrauch einer Neunjährigen durch einen 18 Jahre alten Betreuer in einem Jugendzentrum ist geplatzt. Die V. Strafkammer entschied am Donnerstag, zweiter Prozesstag, dass jetzt doch ein Glaubwürdigkeitsgutachten für die minderjährige Zeugin eingeholt werden soll. Damit kommen auf die Neunjährige weitere Vernehmungen zu. Zwei hat sie schon hinter sich.

Laut Anklage war sie am 1. Februar von anderen Kindern aufgefordert worden, dem Betreuer einen Kuss zu geben. Das habe dieser aber abgelehnt. Danach soll er die anderen zum Spielen geschickt und die Neunjährige aufgefordert haben, ins Bad zu gehen. Wenn sie dort ihr Oberteil ablege, werde er sie küssen.

Laut Anklage folgte sie dem Vorschlag, zog ihren Pullover aus. Der Betreuer habe sie auf den Mund geküsst. Sie habe sich wieder angezogen, gleichzeitig habe der 18-Jährige ihr aber Hose und Slip heruntergezogen und gefragt, ob er sie erneut küssen dürfe. Das habe sie verneint und sei zu einer 20 Jahre alten Betreuerin gegangen. Ihr habe sie anvertraut, was geschehen sei.

Das Kind zeige wenig Distanz

Der Betreuer hatte die Tat bestritten. Er bestätigte zwar, das Kind ins Bad geschickt zu haben. Ihren Wunsch nach einem Kuss habe er aber abgewehrt. An dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs sei nichts dran. Das Kind zeige wenig Distanz, sei auch bei einem älteren Besucher des Zentrums „nah dran“ gegangen.

Nachdem das Gericht am Dienstag mehrere Zeugen vernommen hatte, sollte es am Donnerstag eigentlich zu Plädoyers und Urteil kommen. Staatsanwältin Maria Linten beantragte aber ein Glaubwürdigkeitsgutachten. Anlass war wohl die Aussage der Mutter, dass ihre Tochter sich im ersten Schuljahr in der Klasse ausgezogen habe und deshalb zu einer Therapie gehen musste. Verteidiger Volker Schröder hatte ebenfalls einen Antrag vorbereitet, in dem er aus seiner Sicht Widersprüche und Unwahrheiten des Mädchens schilderte.

Die V. Strafkammer folgte dem Antrag der Staatsanwältin. Jetzt wird das Kind von einem psychologischen Gutachter erneut befragt werden. Warum erst so spät? Jens Nawrath, Sprecher des Landgerichts Essen: „Die Anhaltspunkte für ein Gutachten haben sich erst im Prozess ergeben. Vorher war das nicht abzusehen.“