Essen. Staatsanwaltschaft Essen hat drei minderjährige Salafisten wegen versuchten Mordes angeklagt. Der spektakuläre Fall kommt vor die Jugendstrafkammer.
- Die Staatsanwaltschaft hat drei minderjährige Salafisten aus Essen, Gelsenkirchen und Schermbeck angeklagt
- Der Vorwurf: versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion
- Der Fall wird vor einer Jugendstrafkammer und deshalb ohne Öffentlichkeit verhandelt
Drei Monate nach dem Anschlag auf den Sikh-Tempel im Nordviertel hat die Staatsanwaltschaft Essen jetzt drei minderjährige Salafisten aus Essen, Gelsenkirchen und Schermbeck angeklagt – wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Bei dem Anschlag am 16. April auf der Bersonstraße sind drei Teilnehmer einer indischen Hochzeitsfeier verletzt worden.
Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens bestätigte am Montag auf Anfrage, dass die Anklageschrift schon am vergangenen Dienstag verschickt worden ist.
Verhandelt wird der Aufsehen erregende Fall vor einer Jugendstrafkammer, zu deren Sitzungen keine Öffentlichkeit zugelassen ist. Die Höchststrafe ist eine zehnjährige Jugendstrafe. Der Tempelbomber-Prozess ist vom Landgericht Essen noch nicht terminiert worden, er muss aber bis spätestens Mitte Oktober angesetzt werden.
Jäger: Anschlag nicht zu verhindern gewesen
Bei den Angeklagten handelt es sich um den Essener Mohammed B., den Gelsenkirchener Yusuf T. (beide 16) und den 17 Jahre alten Tolga I. aus Schermbeck. Mohammed B. und Yusuf T. , die die selbst gebastelte Bombe zündeten, sind nur wenige Tage nach dem Anschlag festgenommen worden. Videokameras der Evag hatten sie gefilmt. Tolga I. gilt als Mit-Anstifter.
Offenbar haben sich die Teenager-Dschihadisten über eine Whats-App-Gruppe radikalisiert, die sich „Unterstützer des Islamischen Kalifats“ nennt. Ihr sollen zwölf überwiegend türkeistämmige Jungs angehören. Gegen zwei weitere Mitglieder, die ebenfalls inhaftierten Muhammed Ö. (17) aus Gelsenkirchen und Hilmi T. (20) aus Münster, wird gesondert ermittelt.
Der Fall der Tempelbomber ist ein Politikum. Drei Jugendliche haben am NRW-Präventionsprogramm „Wegweiser“ teilgenommen, das sie eigentlich vor salafistischer Hasspropaganda schützen sollte. Stattdessen haben sich Yusuf T. & Co quasi unter der Aufsicht des Jugendamtes radikalisiert. Die Verdächtigen waren auch den Sicherheitsbehörden schon seit Längerem bekannt. Trotzdem hat NRW-Innenminister Ralf Jäger die Polizei in Schutz genommen. Der Anschlag sei nicht zu verhindern gewesen.
"Gut, dass sie von der Straße sind"
Hinter den Kulissen ist heftig über die Frage gerungen worden, ob es sich bei der Explosion um einen Terroranschlag und bei der Whats-App-Gruppe um einen terroristische Vereinigung handelt. In diesem Fall hätte der Generalbundesanwalt in Karlsruhe den Essener Fall an sich ziehen müssen. Dass er es nicht tat, ruft bei gestandenen Ermittlern Kopfschütteln hervor. Über die Motive wird gerätselt. Will Karlsruhe nicht wahrhaben, dass die Terrormiliz „Islamischer Staat“ womöglich radikalisierte Teenager aus deutschen Kinderzimmern holt und zu Terroranschlägen anstiftet?
Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer, der zurzeit die Chatprotokolle der Whats-App-Gruppe für Januar bis April auswertet, klassifiziert die Sprengstoffexplosion nicht als Dumme-Jungen-Streich, sondern als Terroranschlag. „Es ist gut, dass sie von der Straße sind, sie sind wirklich brandgefährlich“, sagt der Wissenschaftler.