Essen. Die AfD muss politisch bekämpft werden. Stattdessen gibt es eine Neigung zu politischen Hexenjagden, die die Freiheit zu beschädigen drohen.

Es gehört Mut dazu, sich als Sozialdemokratin in die hitzige Debatte um AfD-Mitglieder in der Essener Awo einzumischen und im Netzwerk Facebook – also faktisch öffentlich – die Position der Arbeiterwohlfahrt in Frage zu stellen. SPD-Ratsfrau Ota Hortmanns wird sich nun vermutlich des Verdachts erwehren müssen, Sympathien für die AfD zu hegen. Das hat sie ebenso klar wie glaubwürdig verneint.

Hortmann geht es um ein grundsätzliches Thema: inwieweit nämlich die Wahrnehmung von grundgesetzlich geschützten Rechten wie der Meinungsfreiheit oder dem Beitritt zu einer Partei die Kündigung eines Angestelltenverhältnisses oder den Rauswurf aus einem Verband rechtfertigen. Mag sein, dass die Awo hier als „Tendenzbetrieb“ weitergehende Rechte hat als ein Arbeitgeber ohne dieses Privileg.

Trotzdem lässt das Gebaren des Essener Verbands Geschick und vor allem Augenmaß vermissen. Das gilt für den geplanten Rauswurf von Ex-SPD-Ratsherr Guido Reil, der die AfD nur in ihrem Opfer-Mythos stärkt. Das gilt auch für die Ankündigung des Awo-Geschäftsführers, man werde im Internet die Augen aufhalten, wenn Awo-Mitarbeiter und Awo-Mitglieder politische Aussagen treffen, die sie als AfD-Mitglieder kenntlich machen könnten. Als Gesinnungsschnüffelei will er das nicht verstanden wissen. Man kann es wohl netter sagen, aber am Ende läuft es doch darauf hinaus.

Politische Hexenjagd

Ota Hortmanns kommen da Erinnerungen an den Radikalenerlass der 1970er Jahre und den verweigerten Eintritt in den Staatsdienst, der vorwiegend Linke traf. Damals musste allerdings der Nachweis geführt werden, dass die als radikal angesehenen Parteien – und damit unterstellt auch ihre Mitglieder – die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollten. Auch heute gilt: Eine wehrhafte Demokratie darf nicht ihre erklärten Feinde hofieren, egal ob diese nun rechts oder links stehen oder extremistischen Religionsvarianten huldigen. Dazu bedarf es einer vom Verfassungsschutz festgestellten Verfassungsfeindlichkeit, die im Zweifel gerichtlich überprüfbar sein muss.

Davon zu unterscheiden ist eine um sich greifende Privatmoral, auf deren Basis dann politische Hexenjagden veranstaltet werden, die leicht die Freiheit insgesamt beschädigen können. Zu Recht fordert die Essener SPD-Ratsfrau im konkreten Fall deshalb mehr Souveränität. Die AfD ist eine Partei, die politisch falsch liegt. Dennoch würden es die deutsche Demokratie wie auch die Arbeiterwohlfahrt überleben, wenn in Karnap ein AfD-Mann weiterhin eine Handvoll Seniorinnen mit dem Awo-Bus zum Einkaufen fährt.