Essen. Ein Königreich für starke Theater-Frauen: Anna Bergmann inszeniert „Maria Stuart“ am Schauspiel Essen und findet ganz viel Aktualität bei Schiller.
Es ist ja nicht so, dass in England heute keine Machtkämpfe mehr unter dem Vorwand der richtigen oder falschen Überzeugung geführt würden. Statt katholisch oder protestantisch heißt es heute beispielsweise: für Europa oder dagegen. Todesopfer sind in diesem hitzigen Kampf der Positionen immer noch nicht ausgeschlossen. In dieser aufgeladenen Zeit inszeniert Regisseurin Anna Bergmann im Grillo-Theater Schillers Trauerspiel „Maria Stuart“. Ein Stück, das sich nach Meinung der jungen Theatermacherin mühelos in die Gegenwart ziehen lässt, ohne ihm irgendeine Aktualisierungs-Folter anzutun.
„Da muss Maria Stuart keine Muslima sein“, sagt Anna Bergmann, die der Klassiker schon lange interessiert. Als das Angebot aus Essen kam, hat die bundesweit gefragte Regisseurin deshalb gleich zugesagt. Und auch wegen der beiden Hauptdarstellerinen, Stephanie Schönfeld und Janina Sachau, die sie längst kennt und schätzt.
"Was die Macht mit ihr macht"
Zwei starke Frauen, eine Königin zu viel. Und ein hochkonzentriertes Kammer-Kerker-Spiel, das sich bei Bergmann nach den ersten „historisierend, alptraumhaft stilisierten Szenen“ zum Schauplatz aktueller Ängste weitet. Nach dem Attentat auf die englische Königin Elisabeth nämlich ist alles anders auf der Bühne. Da legt die ganze höfische Entourage Wams und Spitzenhäubchen ab, um sich fortan in der Uniform der modernen Führungselite zu bekriegen. Anzug, Krawatte, polierte Schuhe. „Das Attentat ist der große Wendepunkt, wie das Ende eines Traums. Plötzlich befinden wir uns im Hier und Jetzt“, erklärt Bergmann. „Und es geht darum, ein Todesurteil zu fällen.“ Die Überforderung, die Angst vor dem Handeln soll man spüren. Die Wucht der Hinrichtung auch.
Anna Bergmann ist gerade Mutter geworden. Der kleine „Murkel“ schläft im Kinderwagen, während die Regisseurin über ihre Inszenierung spricht. Schillers Königinnendrama ist ja auch eine Einladung, über Frauenrollen zu diskutieren. Hier die disziplinierte Elisabeth, die von sich behauptet „England zu heiraten“. Dort ihre schottische Widersacherin, die verführerisch, manipulative Maria Stuart. Bergmann erzählt das Stück konsequent aus der Perspektive der Elisabeth-Figur. „Interessant finde ich den Aspekt von Macht, von Machterhalt. Was ich vor allem zeigen möchten: Was die Macht mit ihr macht.“ Sie will deutlich machen, was das heißt: Schuld auf sich zu nehmen. Jemanden per Befehl das Leben zu nehmen, zu richten wider allen humanistischen Denkens. „Das finde ich das Aktuelle und Interessante.“ Die Sprache benötige dabei keine Überarbeitung.. Die Spiel-Fassung sei „komplett Schiller, das braucht keinen Fremdtext“. Die „Genauigkeit und Gedankenschärfe“ der Vorlage hat sie fasziniert. Es sei wichtig, das immer mal wieder im Theater zu hören.
Emanzipations-Kampf von Herrscher-Frauen
In den vergangenen Jahren hat Bergmann einen steilen Marsch durch die deutsche Theaterszene gemacht. Arbeiten von ihr sind und waren unter ander am Deutschen Nationaltheater Weimar, in Oberhausen, Bochum, am Maxim Gorki Theater Berlin, am Thalia Theater Hamburg und am Burgtheater Wien zu sehen. Mit immer wieder variierenden Teams zu arbeiten, findet die 38-Jährige durchaus spannend. „Das bringt Impulse für den künstlerischen Prozess.“ Doch seit das Kind auf der Welt ist, kann sie sich auch vorstellen, kontinuierlicher an einem Haus zu arbeiten. „Man startet nicht immer wieder bei Null, da spart man sich auch Vorarbeit.“
Bühnenbild stammt von Florian Etti
Die Premiere von „Maria Stuart“ ist am Samstag, 25. Juni, 19.30 Uhr im Grillo-Theater. Weitere Termine: 2. u. 7. Juli, 19.30 Uhr. Am 27. Oktober wird das Stück wieder aufgenommen. Karten: 8122-200.
Das Bühnenbild stammt von Florian Etti. Der renommierte Bühnenbildner hat unter anderem mit Karin Beier, Sönke Wortmann, Heinz Spoerli und dem Düsseldorfer Ballettchef Martin Schläpfer gearbeitet.
Die Vorbereitung ist andererseits ganz wichtig für sie. Die eigene Lesart für ein Stück zu finden, das hält Anna Bergmann für ein Markenzeichen, wenn es denn überhaupt eine Bergmann-Marke gibt. Was erzählt mir das Stück, wie kann ich das heute auf die Bühne bringen? Den Emanzipations-Kampf von Herrscher-Frauen, aber auch ihre Sehnsucht nach Anerkennung und Zuneigung, die unterschiedliche öffentliche Bewertung zu zeigen, das hat bis heute Gültigkeit. „Wenn Angela Merkel plötzlich Liebhaber hätte, wäre das ein Riesenskandal. Bei Gerhard Schröder oder Francois Hollande ist das kein Thema. Das hat sich auch nach 500 Jahren nicht geändert.“