Essen. Gebraucht würden neun Mäh-Boote für zwei Millionen Euro pro Saison, um den Baldeneysee stets freizuhalten. Finanziell sei das nicht möglich.

Der grüne Pflanzenteppich auf dem Baldeneysee muss im Sommerhalbjahr wohl als Dauerzustand hingenommen werden und könnte sogar noch deutlich wachsen. Diese eher pessimistische Prognose gab gestern der Ruhrverband, wo nach vielen, auch unkonventionellen Rodungsversuchen Ernüchterung eingetreten ist. „Keine Methode war von Erfolg gekrönt“, sagte gestern Norbert Jardin, Technik-Vorstand des Verbands. Diese Nachricht werde man nun auch den rund 50 Wassersportvereinen am See überbringen müssen, die ihren Sport - wie berichtet - wegen der wuchernden Wasserpflanzen oft nur noch eingeschränkt ausüben können.

Eine schlechte Nachricht, die übrigens Folge einer guten ist, betont Jardin. Denn nachdem der Ruhrverband im letzten Jahrzehnt 1,6 Milliarden Euro in bessere Kläranlagentechnik investierte, sei die bereits seit langem hervorragende Wasserqualität der Ruhr noch einmal stark gestiegen. Stickstoff und Phosphate sind rückläufig, das saubere Wasser ließ Algen und Plankton zurückgehen, dafür fühlen sich jetzt aber andere Pflanzen umso wohler. Darunter ist die altbekannte Elodea, aber auch Igelkloben, Wasserstern und Kleines Laichkraut.

„Dieses Wachstum ist ein ganz normaler Vorgang“

„In meiner Brust schlagen da zwei Herzen“, sagt Jardin. „Denn dieses Wachstum ist ein ganz natürlicher Vorgang.“ Im Klartext: Wo Wassersportler und vielleicht auch Spaziergänger das schöne klare, blaue Wasser lieben, geht Ökologen eher das Herz auf, wenn die grünen Wasserpflanzen sichtbar werden. Und weil der Baldeneysee im Schnitt nur gut drei Meter tief ist, reichen die Pflanzen eben sehr leicht bis an die Oberfläche. „Die Elodea kann bis zu zehn Meter hoch wachsen“, sagt Ruhrverbands-Sprecher Markus Rüdel. Diese Tiefe erreicht der Baldeneysee allenfalls an den tiefsten Stellen am Stauwehr.

Als relativ erfolgreich habe sich nur das Mäh-Boot erwiesen, berichtet Jardin. Der Ruhrverband unterhält eines, mit dem man immerhin die Stege der Segelsportvereine offen halte, damit die Boote überhaupt auslaufen können. „Um den See komplett freizuhalten, müssten wir aber neun Boote vier Monate lang dauerhaft im Betrieb haben“, hat der Ruhrverband errechnet. Kostenpunkt: pro Saison rund zwei Millionen Euro.

Selbst das Schleifen des Seegrunds mit T-Trägern brachte nichts

Der Gemeinschaft der Ruhrverband-Beitragszahler, die vom Freizeitwert des Baldeneysees zumeist nichts haben, sei eine solche Summe nicht zu vermitteln. Was an künstlichen Mitteln wirksam und preiswert helfen würde, wäre das Eintragen von Unkrautvernichtungsmitteln wie Herbiziden. „Das ist bei einem Fluss, der Trinkwasser für 4,6 Millionen Menschen liefert, natürlich völlig ausgeschlossen.“

Alles, was man sonst versucht habe, sei gescheitert, betont Jardin. So ließ der Ruhrverband per Boot einen Doppel-T-Träger über den See-Boden schleifen, eine spezielle Egge und eine Schleppsense wurden entwickelt und sogar mit Wasserdruck - „Unterwasserkärchern“ - rückte man dem Seeboden zuleibe. Alles vergeblich.

Die Pläne, 2017 im See das Schwimmen zu erlauben, sind erst mal nicht betroffen

Das einzige, was helfen könnte, wäre die Natur selbst: mit einem schönen Frühjahrshochwasser. Diese waren in der Vergangenheit oft so heftig, dass selbst Pflanzen vom Grund der Seen mitgerissen und so wirksam dezimiert wurden. „Das Ruhr-Einzugsgebiet ist aber trockener geworden“, berichtet Jardin. „Wir haben gerade das siebte Frühjahr in Folge ohne großes Hochwasser erlebt.“

Nicht tangiert vom Zuwuchern des Sees ist übrigens die vorgesehen Badestelle am Seaside Beach, mit der die Stadt im Grüne-Hauptstadt-Jahr 2017 die Essener erfreuen will. „An dieser Stelle wird es schnell relativ tief, bislang sind hier nur in direkter Ufernähe Pflanzen sichtbar“, so Jardin. Der geplanten 300 Quadratmeter großen, von Stegen eingefassten Badestelle, steht bislang also nichts im Wege. „Das Vorhaben ist auf einem guten Weg“, ließ Norbert Jardin wissen. Da der Ruhrverband immer eher zu den Skeptikern der Schwimmpläne zählte, darf man resümieren: wenigstens eine gute Nachricht.