Essen. Die IG Metall ruft Beschäftigte des IT-Dienstleisters Atos zum Warnstreik auf. Der Protest ist auch für die Gewerkschaft kein gewöhnlicher.

Der Tarifstreit beim IT-Dienstleister Atos hat am Mittwoch einen neuen Höhepunkt erreicht. Erstmals legten Mitarbeiter einen ganzen Tag lang die Arbeit nieder und traten in den Warnstreik. Rund 400 Beschäftigte von sechs Standorten in NRW demonstrierten auf dem Willy-Brandt-Platz, 200 davon aus Essen. Sie forderten vor der nächsten Verhandlungsrunde am Mittwochabend, dass sich ihr Arbeitgeber an geltende Tarifverträge halten soll und die sehen die Übernahme des Metall- und Elektro-Tarifabschlusses vor. Die Atos-Leute befürchten, dass sich ihr Arbeitgeber ganz aus der bestehenden Bindung verabschieden will.

Was auf den ersten Blick nach einer alltäglichen Tarifauseinandersetzung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber klingt, hat für die IG Metall dennoch besondere Züge. Denn die Gewerkschaft mobilisiert hier nicht ihr traditionelles Klientel im Blaumann sondern die Anzugträger aus den Büros. IG-Metall-Bezirksleiter Kurt Giesler war am Mittwoch nach Essen gekommen, um den Kampfgeist unter den Atos-Mitarbeitern hochzuhalten. Anschließend sagte Giesler zufrieden: „Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass IT-Beschäftigte mit Fahnen und roten Kappen hier stehen.“

"Die gewinnen, die noch nicht dabei sind"

Der Erfolgsdruck, der auf der Gewerkschaft lastet, dürfte damit größer als in anderen Auseinandersetzungen sein. Schließlich geht es auch darum, die IT-Beschäftigten nachhaltig von ihrer IG-Metall-Mitgliedschaft zu überzeugen, gar neue Mitglieder zu gewinnen. Ein mageres Ergebnis wäre eher eine schlechte Werbung dafür.

Dennoch ist die Position für die Gewerkschaft bei Atos noch vergleichsweise komfortabel, der Organisationsgrad auch im Essener Betrieb mit über 500 Beschäftigten soll recht hoch sein. Das liegt nicht zuletzt an der Historie der deutschen Atos, die aus der Übernahme der Siemens IT entstanden war. Aber auch hier scheint noch Luft nach oben zu sein, wenn Giesler vor den Atos-Streikenden warb: „Wir müssen noch die gewinnen, die noch nicht dabei sind.“

Die Positionen vor der Verhandlungsrunde am Mittwoch lagen jedoch noch meilenweit auseinander. Die Geschäftsführung bot zunächst für 2016 0,5 Prozent mehr Gehalt an, besserte dann auf 1,5 Prozent für 2015 und 2016 nach. Nach dem Flächentarifvertrag hätten den Atos-Mitarbeitern jedoch 3,4 Prozent für 2015 plus 2,8 Prozent 2016 zugestanden. Die IG Metall ist nicht zu weiteren Zugeständnissen bereit. „Ich sehe im Moment keine Kompromisslinie“, meint Giesler. Man habe keine Lust mehr, die Verbesserungen mit der Lupe zu suchen.